Leichte Sprache im Museum!? Tipps für Ausstellungsmachende
Leichte Sprache und Unterstützte Kommunikation
„Ich würde schon gern ins Museum gehen, weil das bildet ja auch und ich will die Sachen ja auch verstehen. Und dann kann ich auch mit anderen darüber reden“ sagt Maria, Prüferin und Expertin für Leichte Sprache.
Doch Menschen mit Lernschwierigkeiten werden bisher als Zielgruppe für Museen und Ausstellungen oftmals nicht mitbedacht und ihre Bedürfnisse nicht mitberücksichtigt.
Bereits 2007 unterzeichnete Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention, welche 2009 in Kraft trat. Artikel 30 thematisiert explizit die „Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport“. Dort heißt es:
„(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigt mit anderen am kulturellen Leben teilzunehmen, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen (…)
c) Zugang zu Orten kultureller Darbietungen oder Dienstleistungen, wie Theatern, Museen, Kinos, Bibliotheken und Tourismusdiensten, sowie, so weit wie möglich, zu Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller Bedeutung haben“.
Gleichberechtigte Teilnahme am kulturellen Leben ist für Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht ohne Informationen in Leichter Sprache möglich. Wie das aussehen kann? Hier finden Sie erste Ideen.
Führungen in Leichter Sprache
Eine niederschwellige und kostengünstige Möglichkeit, Informationen in Leichter Sprache anzubieten und Menschen mit Lernschwierigkeiten in kulturelle Orte miteinzubeziehen, ist durch Führungen. Führungen eignen sich auch dann, wenn eine Ausstellung bereits besteht und nicht mehr in das Ausstellungsdesign eingegriffen werden kann.
Aus unserer Erfahrung heraus empfehlen wir folgende Dinge für eine Führung in Leichter oder einfacher Sprache:
- Die Führung selbst sollte der Konzentration wegen maximal eine Stunde dauern. Es sollte darüber hinaus aber auch genug Zeit für das Ankommen und Verabschieden bzw. Gehen eingeplant sein.
- Die Person, die die Führung macht, sollte langsam sprechen und Fremd- und Fachwörter vermeiden, bzw. erklären, wenn sie notwendig sind. Für weitere hilfreiche Tipps zum Sprechen in Leichter Sprache können Sie diesen Blogtext lesen.
- Beschränken Sie sich lieber auf einzelne, wenige Ausstellungsstücke und lassen Sie den Teilnehmenden dafür Zeit, diese genau anzuschauen oder anderweitig wahrzunehmen. Auch Informationen zum Gebäude und zu den Räumen sind spannend, da manche Menschen mit Lernschwierigkeiten noch nicht oft oder vielleicht sogar noch nie in Museen oder Ausstellungen waren.
- Gut eignen sich Ausstellungsgegenstände, die über mehrere Sinne erfahrbar sind.
- Machen Sie immer wieder Pausen, um den Teilnehmenden die Möglichkeit und die Zeit für Rückfragen zu geben.
- Beziehen Sie die Teilnehmenden mit ein. Sie können z. B. Fragen stellen, etwa ob der Ausstellungsgegenstand auch aus dem eigenen Alltag bekannt ist oder die Teilnehmenden beschreiben lassen, was sie auf einem Gemälde erkennen können. Interaktion und Dialog wirkt sich positiv auf die Aufmerksamkeit aus.
- Toll für einige Menschen mit Lernschwierigkeiten kann es zudem sein, wenn sie Informationen zu den Ausstellungsstücken in Leichter Sprache, beispielsweise in Heftform, mit nach Hause nehmen können. Natürlich ist dies ein weiterer Kostenpunkt, jedoch ermöglicht es den Teilnehmenden im Nachhinein Inhalte nochmals nachzulesen und sich so möglicherweise besser merken zu können und auch mit anderen ins Gespräch über die Ausstellung zu kommen.
- Und wie wäre es mit einer Führung im inklusiven Team? Dies wäre noch ein Schritt weiter in Richtung Inklusion und eine Möglichkeit, Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht nur als Besucherinnen, sondern auch als aktiv Gestaltende miteinzubeziehen
Audioguides und Ausstellungstexte in Leichter Sprache
Andere Möglichkeiten, Leichte Sprache in Museen und Ausstellungen zu integrieren, sind beispielsweise Audioguides in Leichter Sprache oder Texte zu den Ausstellungsstücken in Leichter Sprache. Diese Texte können entweder direkt bei ausgewählten Exponaten angebracht werden – sofern das Ausstellungsdesign das zulässt – oder den Besucherinnen als eine Art Ausstellungskatalog mitgegeben werden. Für letztere Variante spricht, dass manche Menschen mit Lernschwierigkeiten sich beim Lesen leichter tun, wenn sie einen Finger zu Hilfe nehmen können, um sich in den Zeilen zu orientieren. Zudem können sie so einen passenden Ort zum Lesen auswählen, was Lautstärke- und Lichtverhältnisse angeht und können ggfs. eigene mitgebrachte Hilfsmittel wie eine Lupe nutzen. Wichtig ist dann jedoch die klare Kennzeichnung und Zuordnung der Ausstellungsstücke zu dem jeweiligen Erklärtext sowie Orientierungshilfen im Museum, um den „richtigen“ Weg zu finden. Gleiches trifft auch zu, wenn Audioguides angeboten werden. Des Weiteren sollte auf eine möglichst einfache und barrierearme Bedienbarkeit der technischen Geräte geachtet werden.
Menschen mit Lernschwierigkeiten als Beratende
Diese bereits genannten Ideen und Tipps lassen sich auch in Ausstellung integrieren, die bereits existieren. Doch wenn eine neue Ausstellung konzipiert wird, raten wir dazu, das Thema (sprachliche) Barrierefreiheit von Beginn an mitzudenken. Oftmals ist das Argument gegen Barrierefreiheit, dass das Ausstellungsdesign dadurch gestört wird, wobei dies nicht problematisch ist, wenn Barrierefreiheit von Anfang an berücksichtigt wird. Auch der Einbezug beispielsweise von Menschen mit Lernschwierigkeiten in den Prozess der Ausstellungskonzeption ist sehr sinnvoll, da sie als künftige Zielgruppe wertvolle Tipps geben können.
Das Angebot bekannt machen
Zwei letzte Tipps:
Wichtig ist, dass gleich im Eingangsbereich auf die verschiedenen Angebote in Alltagssprache und in Leichter Sprache aufmerksam gemacht wird. Im besten Fall sowohl in Form eines Aushangs als auch durch den Hinweis der Person, die beispielsweise die Eintrittskarten verkauft. So können sich alle Besucherinnen das zu ihnen passende Angebot auswählen. Auch eine kurze Info dazu, was die Leichte Sprache ist und wie sie entsteht, kann hilfreich sein, um Vorbehalten abzumildern.
„Wir haben seit kurzem ein Angebot in Leichter Sprache, aber es wird nicht gut in Anspruch genommen. Was jetzt?“
Auf diese Frage, die uns auch schon begegnet ist, bezieht sich unser letzter Tipp und wir haben verschiedene Gedanken dazu. Zum einen: Wie kommt die Info über das neue Angebot zur Zielgruppe? Es reicht nicht aus, die Ausstellung barrierefrei zu gestalten, auch das Werbematerial muss barrierefrei sein und die Zielgruppe erreichen. Vielleicht gibt es in Ihrer Stadt bestimmte Stellen, auf die Sie zugehen und die Sie bei der Bewerbung unterstützen können? Vielleicht gibt es bestimmte Einrichtungen, mit denen Sie kooperieren können? So kann ein neues Netzwerk entstehen und die Chance steigt, Ihre Zielgruppe direkt zu erreichen.
Zum anderen ist es aber auch nachvollziehbar, dass es etwas dauert, bis das neue Angebot angenommen wird. Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten fühlten sich für eine lange Zeit nicht willkommen in Museen. Sie hatten oftmals das Erlebnis, die Inhalte nicht zu verstehen, was zu Gefühlen wie Langeweile oder auch Ausgeschlossenheit führte. Das Interesse und der Spaß an Museen und Ausstellungen muss also erst wieder neu entdeckt werden können und dies ist nur möglich, wenn es passende Angebote gibt. Daher unser letzter Tipp: Nicht aufgeben und Mut haben, Neues auszuprobieren!
Autorin: Tanja Blum, Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH