Handlungsleitfaden für Öffentliche Stellen

Der Handlungsleitfaden wendet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in Bayern, die mit der Erstellung, Aktualisierung und Prüfung von öffentlichen Internetauftritten befasst sind.

Die Erstellung dieses Leitfadens wurde durch das Bayerisches Staatsministerium für Digitales gefördert. Hier geht’s zum Statement von Herrn Staatsminister Dr. Fabian Mehring, MdL zur Rolle und Bedeutung des Leitfadens.

Rund 7,9 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer anerkannten Schwerbehinderung. Diese sind auf barrierefreie Websites angewiesen. Von Barrierefreiheit profitieren aber deutlich mehr Menschen: Mit zunehmendem Alter wird die Sehkraft schwächer, die Feinmotorik ist weniger ausgeprägt und nicht für jeden Bürger ist Deutsch die Muttersprache. Auch Unfälle und Krankheiten können die physische Leistungsfähigkeit vorübergehend einschränken, sodass eine einfach zu bedienende Website hilfreich ist. Welche Zielgruppen wie von der digitalen Barrierefreiheit profitieren wird auf der Website der Beratungsstelle Barrierefreiheit anschaulich erklärt.

Dieser Handlungsleitfaden zeigt Ihnen den Weg zu einer barrierefreien Website: Im Idealfall ist sie übersichtlich strukturiert, die Informationen und Bedienelemente sind gut als solche erkennbar und sowohl mit Maus als auch nur mit der Tastatur gut nutzbar. Formularfelder sind klar gekennzeichnet und eventuelle Fehlermeldungen geben dem Nutzer eindeutige Anweisungen zur Fehlerbehebung.

Eine Erweiterung um die Themen „Barrierefreiheit von IT-Anwendungen“ und „barrierefreie Dokumente“ ist in Planung.

Grundsätzliche Informationen

Beratungsstelle Barrierefreiheit

Die Beratungsstelle Barrierefreiheit, gefördert vom Freistaat Bayern, unterstützt Sie mit einer kostenfreien Erstberatung und zahlreichen Informationen auf Ihrem Weg zur barrierefreien IT. Vereinbaren Sie einfach online einen Termin. Zudem finden Sie auf dieser Webseite zahlreiche Informationen und Anleitungen für digitale Barrierfreiheit und zur barrierefreien Sprache.

Speziell für Behindertenvertretungen

Um Behindertenvertretungen gezielt zu unterstützen, bietet die Beratungsstelle Barrierefreiheit regelmäßig offene Sprechstunden an. Die nächsten Termine finden Sie in unseren Veranstaltungen.

Gesetzlichen Grundlagen

Öffentliche Stellen in Bayern sind verpflichtet, Websites und mobile Anwendungen barrierefrei zu gestalten (Richtlinie (EU) 2016/2102). Bayern hat dies im Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG Art 14. Abs 1) verankert und in der Bayerischen Digitalverordnung (BayDiV §§ 9-11) konkretisiert.

Um digitale Barrierefreiheit zu gewährleisten, benötigen öffentliche Stellen in Bayern Webseiten und Online-Dienstleistungen, die sich nach dem aktuellen technischen Stand richten und die Europäische Norm EN 301 549 erfüllen.

Alle Websites, das schließt auch die internen Websites (Intranet) ein, müssen der Bayerischen Digitalverordnung (BayDiV) entsprechen. Die BayDiV hat am 1. August 2023 die bis dahin gültige BayEGovV abgelöst.

Auch mobile Anwendungen und unter Umständen intern eingesetzte Software müssen barrierefrei zugänglich sein. Aktuell geht diese Handreichung ausschließlich auf Websites ein. Weitere Themen werden ergänzt. 

Anforderungen an öffentliche Stellen

Die Vorgaben zur Barrierefreiheit von Websites nach der EU-Richtlinie 2016/2102 muss von allen öffentlichen Stellen des Landes und der Kommunen umgesetzt werden. Eine öffentliche Stelle ist zum Beispiel ein Ministerium, eine Landesbehörde oder eine Stadt- beziehungsweise Gemeindeverwaltung. Öffentliche Stellen sind aber auch Betriebe unter Unternehmen, die hauptsächlich von Land oder Kommunen kontrolliert oder finanziert werden.

Grundsätzlich sollen die Websites aller öffentlichen Stellen barrierefrei zugänglich sein, weil nur so alle Bürger und Bürgerinnen ihre Angelegenheiten selbstbestimmt regeln können. Bei den gesetzlichen Verpflichtungen gibt es allerdings Differenzierungen bei den Mindeststandards. Diese sind im Folgenden dargestellt.

Erstellen einer barrierefreien Website nach der Bayerischen Digitalverordnung

Um eine barrierefreie Website erstellen zu lassen, benötigen Sie einen geeigneten Dienstleister und einen klaren Anforderungskatalog.

Geeignete Anbieter

Sie bereiten die Vergabe der Website vor. Fordern Sie von Ihren Bietern eine Eigenerklärung zur fachlichen Eignung hinsichtlich Barrierefreiheit, beispielsweise mit den folgenden Kriterien:

  • In den letzten drei Jahren wurden nachweislich barrierefreie Websites von uns entwickelt. Geben Sie drei veröffentlichte Referenz-Websites an (URLs).
    Bei diesen Referenzen können Sie die Erklärung zur Barrierefreiheit prüfen oder mit dem Herausgeber der Website in Kontakt treten.
  • Welche Qualifikation können die am Projekt mitarbeitenden Personen hinsichtlich der Barrierefreiheit aufweisen?
    Da es wenige formale Qualifikationen gibt, sollten hier neben den Zertifizierungen der IAAP (International Association of Accessibility Professionals) auch weniger formalisierte Fortbildungen gelten. Wichtig ist, dass sichtbar wird, dass die Mitarbeitenden zu diesem Thema fortgebildet wurden, da das Thema Barrierefreiheit in den standardisierten Ausbildungsplänen (noch) nicht berücksichtigt wird.

Hilfreich ist auch die Orientierung an bereits als barrierefrei zertifizierten Websites und den damit betrauten Agenturen. Eine Auflistung finden Sie hier: BIK BITV-Test | Barrierefreie Websites (bitvtest.de).

Anforderungskatalog „Barrierefreie Website“ für Ausschreibungen

Wenn Sie einen externen Dienstleister mit der Erstellung einer Website oder einer (mobilen) Anwendung beauftragen, sollten Sie bereits in der Ausschreibung auf die Verpflichtung zur Barrierefreiheit hinweisen. Bennen Sie in der Ausschreibung die konkrete technische Norm, nach der Ihr digitales Produkt barrierefrei sein soll. Dies ist die harmonisierte europäische Norm EN 301 549.

Wichtig ist, dass sie konkret vereinbaren, was geleistet werden soll. Verwenden Sie dazu den Anforderungskatalog Barrierefreie Webseite (Excel-Datei). In diesem sind alle Kriterien einer Website, die barrierefrei entwickelt werden müssen, aufgeführt. Um den ausgewählten Anbieter auf die Einhaltung der Kriterien zu verweisen, können sie folgende Formulierung verwenden: „Für den Nachweis der Einhaltung der Anforderungen zur Barrierefreiheit ist der als Anlage beigefügte ‚Anforderungskatalog Barrierefreiheit‘ vollständig auszufüllen und rechtsverbindlich zu unterschreiben (Eigenerklärung).“

Hingegen sind Formulierungen wie „weitgehend barrierefrei“, „wichtigste Punkte der Barrierefreiheit“ oder „Barrierefrei für alle geht sowieso nicht“ Anzeichen, dass der Anbieter die Voraussetzungen für Barrierefreiheit nicht erfüllt.

Leichte Sprache und Deutsche Gebärdensprache (Mindestanforderungen)

Das Folgende ist für Ministerien, Gerichte und Staatsanwaltschaften verpflichtend, für alle andere öffentlichen stellen empfohlen.

Von allen Seiten des Webauftritts, also am besten in der Kopf- oder der Fußzeile, muss ein Link auf eine Seite in Leichter Sprache und in Deutscher Gebärdensprache gesetzt werden. Dieser Link verweist auf Seiten, die folgende Informationen in Leichter Sprache beziehungsweise als Video in Gebärdensprache enthalten:

  1. Informationen zu den wesentlichen Inhalten,
  2. Hinweise zur Navigation,
  3. eine Erläuterung der wesentlichen Inhalte der Erklärung zur Barrierefreiheit,
  4. Hinweise auf weitere in diesem Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache.

In der Regel wird dieser Text von den Verantwortlichen der Website in Alltagssprache geschrieben und an ein Übersetzungsbüro zur Übersetzung gegeben.

Barrierefreiheit dokumentieren: Erklärung zur Barrierefreiheit

Nach § 10 BayDiV ist grundsätzlich eine Erklärung zur Barrierefreiheit bereitzustellen und zu veröffentlichen. Die Erklärung zur Barrierefreiheit ist jährlich und bei jeder wesentlichen Änderung der Website oder der mobilen Anwendung zu aktualisieren.

Die Erklärung zur Barrierefreiheit gibt an, ob der gesamte Web-Auftritt oder die mobile App barrierefrei nach der BayDiV ist. Wenn dies nicht der Fall ist, wird erläutert,

  • welche Elemente nicht barrierefrei sind und wie diese Barrieren überwunden werden können,
  • wann die Behebung erfolgt,
  • wohin sich Betroffene hinwenden können, wenn ihnen Barrieren den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen der öffentlichen Stellen verwehren. Dieser zielgerichtete Kontakt ist das Kernstück der Erklärung zur Barrierefreiheit und soll den Betroffenen ermöglichen, zielgerichtet Hilfe zu bekommen.

Die Erklärung zur Barrierefreiheit soll von jeder Seite der Website zugänglich sein, ähnlich dem Impressum und der Datenschutzerklärung.

Vorlage Erklärung zur Barrierefreiheit

Im Folgenden finden Sie eine fertig formatierte Vorlage für Ihre Erklärung zur Barrierefreiheit:

Zur Mustererklärung zur Barrierefreiheit

Begleitend dazu haben wir eine Anleitung zum Erstellen dieser Erklärung erstellt.

Webseiten testen

Webseiten müssen bei der Aktivierung und danach in regelmäßigen Abständen auf die Erfüllung der Anforderungen an Barrierefreiheit überprüft werden.

Wie Sie Webseiten sowie Software oder Apps testen können, lesen Sie unter Barrierefreiheit testen.

„Automatische“ Tools für Barrierefreiheit

Viele Anbieter werben mit sogenannten Overlay-Tools, die Ihre Website automatisch barrierefrei machen. Das ist aktuell technisch leider nicht möglich. 

Ein Overlay-Tool ist eine Software, die das Aussehen Ihrer Website verändert, oder den Text vorliest. Beispiele für häufig eingesetzte Overlay-Tools sind accessiBe, EqualWeb, EyeAble, ReadSpeaker oder UserWay.

Overlays versagen bei elementaren Anforderungen der Barrierefreiheit, wie etwa der Herstellung der Tastaturbedienbarkeit oder wenn es darum geht, Formulare barrierefrei zu machen. Auch verlinkte Dokumente werden nicht „auf Knopfdruck“ barrierefrei. Deswegen dienen diese Tools nicht zur Herstellung der Barrierefreiheit nach der EN 301 549.

Daher warnen die maßgeblichen Expertinnen und Experten für Barrierefreiheit davor, Overlay-Tools einzusetzen. Die Gemeinsame Einschätzung der Überwachungsstellen des Bundes und der Länder für die Barrierefreiheit von Informationstechnik zur Verwendung von Overlay-Tools erläutert die Gründe im Detail. 

In manchen Fällen können Overlay-Tools auch nützlich sein. Beispielsweise können Sie die Zugänglichkeit verbessern, etwa indem sie Texte der Webseite vorlesen (Webreader) oder eine einfache Möglichkeit bieten, die Farben oder den Kontrast zu ändern. Das kann nützlich für Personen sein, die nicht wissen, dass man Einstellungen über das Betriebssystem oder den Browser vornehmen kann. Menschen mit einer Behinderung kennen allerdings in der Regel diese Einstellungsmöglichkeiten. Für sie stellen Overlays häufig Barrieren dar.

Barrierefreiheit umsetzen

Barrierefreiheit sollte schon bei der Planung aller Kommunikationsmaßnahmen beginnen. Schaffen Sie eine klare Zuständigkeit für digitale Barrierefreiheit.

Es ist sinnvoll, digitale Barrierefreiheit zentral zu implementieren. Sie betrifft nämlich viele Bereiche: Sie reicht von konzeptionellen Entscheidungen und Ausschreibungen über Sensibilisierungsmaßnahmen und Schulungen bis hin zur konkreten Umsetzung einer Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das muss organisiert werden.

Die zuständige Person oder Abteilung für digitale Barrierefreiheit sollte gut vernetzt sein und wissen, ob bei bestehenden oder neuen Kommunikationsmaßnahmen digitale Barrierefreiheit berücksichtigt wurde.

Denken Sie Barrierefreiheit von vornherein mit

Barrierefreiheit nachträglich in IT-Produkte zu integrieren, ist kompliziert und langwierig. Besser ist es, Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken. So werden Fehler schon bei frühen Entscheidungen wie Ausschreibungen oder der Konzeption vermieden. Das spart personelle Ressourcen, Zeit und Geld.

Bauen Sie ein Wissensmanagement auf

Wissen ist bei der digitalen Barrierefreiheit entscheidend. Wie gestalte ich eine Ausschreibung, dass sie die gesetzlichen Vorgaben erfüllt? Wie entscheide ich, welche Agentur geeignet ist? Wie garantiere ich nachhaltig die barrierefreie Befüllung meines Redaktionssystems? Wie kann ich sichergehen, dass auch neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter barrierefreie Dokumente erstellen?

Das alles ist Wissen, das nicht von heute auf morgen entsteht und das immer wieder erneuert werden muss. Schulen Sie also Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bieten Sie Fortbildungen an und stellen Sie Infomaterialien zur Verfügung.

Nutzen Sie dafür auch die Ressourcen und die Beratungsleistungen der Beratungsstelle Barrierefreiheit sowie die Hilfen unterschiedlicher Herausgeber, die von der Beratungsstelle Barrierefreiheit überprüft und vorgestellt werden.

Identifizieren sie, was barrierefrei gemacht werden muss

In öffentlichen Stellen, Organisationen oder Unternehmen ist die Zahl an Kommunikationsmedien häufig groß. Zumeist gibt es eine oder mehrere Webseiten, verschiedene Softwarelösungen, Apps sowie eine Vielzahl von im Internet bereitgestellten Dokumenten. Überprüfen Sie diesen gesamten Stand an Medien. Stellen Sie fest, wozu Sie gesetzlich verpflichtet sind, wo Barrierefreiheit schon umgesetzt ist und wo noch Mängel bestehen. 

Weitere Informationen

Für das beste Ergebnis sollte in allen Projektphasen die Barrierefreiheit beachtet werden: in Konzeption, Programmierung und Redaktion. Weitere Tipps für alle Phasen der Erstellung finden Sie im Blog der Beratungsstellen Barrierefreiheit. Wenn Sie den Newsletter Barriere? Los! abonnieren, erhalten Sie die neuesten Tipps monatlich direkt in Ihr Postfach.