Handlungsleitfaden für Öffentliche Stellen
Der Handlungsleitfaden wendet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in Bayern, die mit der Erstellung, Aktualisierung und Prüfung von öffentlichen Internetauftritten befasst sind.
Die Erstellung dieses Leitfadens wurde durch das Bayerisches Staatsministerium für Digitales gefördert. Hier geht’s zum Statement von Herrn Staatsminister Dr. Fabian Mehring, MdL zur Rolle und Bedeutung des Leitfadens.
Rund 7,9 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer anerkannten Schwerbehinderung. Diese sind auf barrierefreie Websites angewiesen. Von Barrierefreiheit profitieren aber deutlich mehr Menschen: Mit zunehmendem Alter wird die Sehkraft schwächer, die Feinmotorik ist weniger ausgeprägt und nicht für jeden Bürger ist Deutsch die Muttersprache. Auch Unfälle und Krankheiten können die physische Leistungsfähigkeit vorübergehend einschränken, sodass eine einfach zu bedienende Website hilfreich ist. Welche Zielgruppen wie von der digitalen Barrierefreiheit profitieren wird auf der Website der Beratungsstelle Barrierefreiheit anschaulich erklärt.
Dieser Handlungsleitfaden zeigt Ihnen den Weg zu einer barrierefreien Website: Im Idealfall ist sie übersichtlich strukturiert, die Informationen und Bedienelemente sind gut als solche erkennbar und sowohl mit Maus als auch nur mit der Tastatur gut nutzbar. Formularfelder sind klar gekennzeichnet und eventuelle Fehlermeldungen geben dem Nutzer eindeutige Anweisungen zur Fehlerbehebung.
Eine Erweiterung um die Themen „Barrierefreiheit von IT-Anwendungen“ und „barrierefreie Dokumente“ ist in Planung.
Grundsätzliche Informationen
Beratungsstelle Barrierefreiheit
Die Beratungsstelle Barrierefreiheit, gefördert vom Freistaat Bayern, unterstützt Sie mit einer kostenfreien Erstberatung und zahlreichen Informationen auf Ihrem Weg zur barrierefreien IT. Vereinbaren Sie einfach online einen Termin. Zudem finden Sie auf dieser Webseite zahlreiche Informationen und Anleitungen für digitale Barrierfreiheit und zur barrierefreien Sprache.
Speziell für Behindertenvertretungen
Um Behindertenvertretungen gezielt zu unterstützen, bietet die Beratungsstelle Barrierefreiheit regelmäßig offene Sprechstunden an. Die nächsten Termine finden Sie in unseren Veranstaltungen.
Gesetzlichen Grundlagen
Mit der Einführung der EU Richtlinie 2016/2102 und deren Umsetzung in nationales Recht sind öffentliche Stellen in Deutschland verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten.
Der Freistaat Bayern hat dies auf Landesebene in Art. 14 Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG) verankert und in den §§ 9 bis 11 der Bayerischen Digitalverordnung (BayDiV) konkretisiert. Bezüglich der zugrunde liegenden technischen Standards wird in der BayDiV auf die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) Bezug genommen.
Für öffentliche Stellen des Bundes sind die aktuellen Fassungen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) und der BITV maßgeblich.
Anforderungen an öffentliche Stellen
Die Vorgaben zur Barrierefreiheit von Websites müssen grundsätzlich von allen Trägern öffentlicher Gewalt des Freistaates Bayern umgesetzt werden. Dazu zählen beispielsweise Ministerien, Landesbehörden, Stadt- und Gemeindeverwaltungen sowie sonstige öffentliche Stellen. Auch öffentliche Betriebe, die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert werden oder hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser Gebietskörperschaften oder Einrichtungen unterstehen, sind zur Umsetzung verpflichtet. Ebenso gelten die Vorgaben für Staatsanwaltschaften und Gerichte.
Alle ihre Websites, Intranets und verlinkten Dokumente müssen grundsätzlich barrierefrei sein und so gestaltet werden, dass sie von Menschen mit Behinderung uneingeschränkt genutzt werden können. Zudem muss eine aktuelle Erklärung zur Barrierefreiheit bereitgestellt werden.
Die digitalen Angebote sind nach den folgenden vier Prinzipien zu gestalten:
- Wahrnehmbarkeit
- Bedienbarkeit
- Verständlichkeit
- Robustheit
Die Erfüllung dieser Anforderungen wird vermutet, wenn die digitalen Angebote harmonisierten Normen oder Teilen dieser Norm entsprechen. Maßstab ist hier die harmonisierte Norm EN 301 549. Diese Norm definiert Anforderungen an die Barrierefreiheit der Informations- und Kommunikationstechnik des öffentlichen Sektors und gilt als verbindlicher Standard.
Träger öffentlicher Gewalt (Ausnahme: Gemeinden, Gemeindeverbände, Landratsämter und sonstige der Aufsicht des Freistaates Bayern unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts), Gerichte sowie Staatsanwaltschaften müssen jeweils zusätzlich auf einer Seite bestimmte Informationen in Leichter Sprache und Deutscher Gebärdensprache zur Verfügung stellen, § 9 Abs. 2 BayDiV.
Schulen, Kindertageseinrichtungen und Großtagespflegestellen wird empfohlen ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten. Gesetzlich dazu verpflichtet sind sie nicht.
Öffentliche Stellen können im Einzelfall von einem barrierefreien Angebot absehen, soweit die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen eine unverhältnismäßige Belastung darstellt, § 9 Abs. 4 BayDiV. Wichtig ist zu beachten, dass diese „Ausnahmeregelung“ nicht bedeutet, dass insgesamt auf eine barrierefreie Umsetzung verzichtet werden darf. Wenn eine unverhältnismäßige Belastung vorliegt, ist vielmehr der Umfang der barrierefreien Gestaltung lediglich insoweit zu reduzieren, wie es zur Vermeidung der unverhältnismäßigen Belastung erforderlich ist. Somit kann sich eine unverhältnismäßige Belastung nur auf einzelne Inhalte beziehen und nicht etwa auf den gesamten Webauftritt. Die betroffenen Inhalte müssen so barrierefrei wie möglich gestaltet werden. Die öffentliche Stelle, die sich auf diese Ausnahmeregelung berufen möchte, hat eine sorgfältige Abwägung der relevanten Aspekte vorzunehmen. Inhalte, die aufgrund einer unverhältnismäßigen Belastung nicht barrierefrei angeboten werden können, sind in der Erklärung zur Barrierefreiheit zusammen mit einer Begründung für die Unverhältnismäßigkeit aufzuführen.
Erstellen einer barrierefreien Website
Um eine barrierefreie Website nach der bayerischen Digitalverordnung erstellen zu lassen, benötigen Sie einen geeigneten Dienstleister und einen klaren Anforderungskatalog.
Geeignete Anbieter
Sie bereiten die Vergabe der Website vor. Fordern Sie von Ihren Bietern eine Eigenerklärung zur fachlichen Eignung hinsichtlich Barrierefreiheit, beispielsweise mit den folgenden Kriterien:
- In den letzten drei Jahren wurden nachweislich barrierefreie Websites von uns entwickelt. Geben Sie drei veröffentlichte Referenz-Websites an (URLs).
Bei diesen Referenzen können Sie die Erklärung zur Barrierefreiheit prüfen oder mit dem Herausgeber der Website in Kontakt treten. - Welche Qualifikation können die am Projekt mitarbeitenden Personen hinsichtlich der Barrierefreiheit aufweisen?
Da es wenige formale Qualifikationen gibt, sollten hier neben den Zertifizierungen der IAAP (International Association of Accessibility Professionals) auch weniger formalisierte Fortbildungen gelten. Wichtig ist, dass sichtbar wird, dass die Mitarbeitenden zu diesem Thema fortgebildet wurden, da das Thema Barrierefreiheit in den standardisierten Ausbildungsplänen (noch) nicht berücksichtigt wird.
Hilfreich ist auch die Orientierung an bereits als barrierefrei zertifizierten Websites und den damit betrauten Agenturen. Eine Auflistung finden Sie hier: BIK BITV-Test | Barrierefreie Websites (bitvtest.de).
Anforderungskatalog „Barrierefreie Website“ für Ausschreibungen
Wenn Sie einen externen Dienstleister mit der Erstellung einer Website oder einer (mobilen) Anwendung beauftragen, sollten Sie bereits in der Ausschreibung auf die Verpflichtung zur Barrierefreiheit hinweisen. Bennen Sie in der Ausschreibung die konkrete technische Norm, nach der Ihr digitales Produkt barrierefrei sein soll. Dies ist die harmonisierte europäische Norm EN 301 549.
Wichtig ist, dass sie konkret vereinbaren, was geleistet werden soll. Verwenden Sie dazu den Anforderungskatalog Barrierefreie Webseite (Excel-Datei). In diesem sind alle Kriterien einer Website, die barrierefrei entwickelt werden müssen, aufgeführt. Um den ausgewählten Anbieter auf die Einhaltung der Kriterien zu verweisen, können sie folgende Formulierung verwenden: „Für den Nachweis der Einhaltung der Anforderungen zur Barrierefreiheit ist der als Anlage beigefügte ‚Anforderungskatalog Barrierefreiheit‘ vollständig auszufüllen und rechtsverbindlich zu unterschreiben (Eigenerklärung).“
Hingegen sind Formulierungen wie „weitgehend barrierefrei“, „wichtigste Punkte der Barrierefreiheit“ oder „Barrierefrei für alle geht sowieso nicht“ Anzeichen, dass der Anbieter die Voraussetzungen für Barrierefreiheit nicht erfüllt.
Leichte Sprache und Deutsche Gebärdensprache (Mindestanforderungen)
Auf den Startseiten von Websites der verpflichtenden Stellen sind bei Neuveröffentlichungen zusätzliche Inhalte in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache bereitzustellen.
Die Inhalte umfassen:
- Informationen zu den wesentlichen Inhalten,
- Hinweise der Navigation und
- Hinweise auf weitere Informationen, die in diesem Auftritt entweder in Deutscher Gebärdensprache oder in Leichter Sprache eingestellt sind.
In der Regel wird der Ausgangstext in Alltagssprache von den zuständigen Stellen erstellt und anschließend an ein Übersetzungsbüro zur Übersetzung gegeben.
Es wird empfohlen, einen gut sichtbaren Link auf diese Informationen auf allen Seiten des Webauftritts bereitzustellen, z.B. in der Kopf– oder Fußzeile.
Barrierefreiheit dokumentieren: Erklärung zur Barrierefreiheit
Nach § 10 BayDiV ist grundsätzlich eine Erklärung zur Barrierefreiheit bereitzustellen und zu veröffentlichen. Die Erklärung zur Barrierefreiheit ist jährlich und bei jeder wesentlichen Änderung der Website oder der mobilen Anwendung zu aktualisieren.
Die Erklärung zur Barrierefreiheit gibt an, ob der gesamte Web-Auftritt oder die mobile App barrierefrei nach der BayDiV ist. Wenn dies nicht der Fall ist, wird erläutert,
- welche Elemente nicht barrierefrei sind und wie diese Barrieren überwunden werden können,
- wann die Behebung erfolgt,
- wohin sich Betroffene hinwenden können, wenn ihnen Barrieren den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen der öffentlichen Stellen verwehren. Dieser zielgerichtete Kontakt ist das Kernstück der Erklärung zur Barrierefreiheit und soll den Betroffenen ermöglichen, zielgerichtet Hilfe zu bekommen.
Die Erklärung zur Barrierefreiheit soll von jeder Seite der Website zugänglich sein, ähnlich dem Impressum und der Datenschutzerklärung.
Vorlage Erklärung zur Barrierefreiheit
Im Folgenden finden Sie eine fertig formatierte Vorlage für Ihre Erklärung zur Barrierefreiheit:
Zur Mustererklärung zur Barrierefreiheit
Begleitend dazu haben wir eine Anleitung zum Erstellen dieser Erklärung erstellt.
Die Texte in den eckigen Klammern sind Platzhalter. Bitte ersetzen Sie diese durch Ihre Daten. Im Folgenden finden Sie Hinweise, wie die Erklärung zur Barrierefreiheit auszufüllen ist.
- Überschrift: Erklärung zur Barrierefreiheit
Hier geben Sie den vollständigen Namen der öffentlichen Stelle ein, und führen die URLs aller Websites und/ oder mobilen Anwendungen auf, für die diese Mustererklärung gilt. - Überschrift: Stand der Vereinbarkeit mit den Anforderungen
- Hier müssen Sie eine der drei Optionen wählen und angeben, nach welchem gesetzlichen Rahmen, welcher Norm die Website als barrierefrei (oder eben nicht) anzusehen ist.
- (a) vollständig vereinbar.: Wählen Sie diese Option, wenn Sie alle Anforderungen der BayDiV erfüllen.
- (b) teilweise mit [xxx] vereinbar: Wählen Sie diese Option, wenn noch nicht alle Aspekte der BayDiV erfüllt sind. Wenn Sie diese Option wählen, müssen Sie in der folgenden Liste alle nicht vereinbaren Inhalte bzw. Inhaltstypen in verständlicher Sprache aufführen. Idealerweise geben sie jeweils an, wie die Bürger und Bürgerinnen auf andere Weise an die notwendigen Informationen kommen.
- (c) nicht vereinbar. Wählen Sie diese Option, wenn Sie sehr viele oder sehr wesentliche Barrieren auf Ihrer Website finden. Wenn Sie diese Option wählen, müssen Sie in der folgenden Liste alle Inhalte bzw. Inhaltstypen, die Barrieren aufweisen, in verständlicher Sprache aufführen.
- Unterüberschrift: Unverhältnismäßige Belastung
Sollten Sie nicht barrierefreie Inhalte haben, bei denen die Beseitigung der Barrieren eine unverhältnismäßige Belastung sind, beschreiben Sie diese unter dieser Überschrift. Wenn Sie keine derartigen Inhalte haben, können Sie diese Überschrift löschen. - Unterüberschrift: Die Inhalte fallen nicht in den Anwendungsbereich der anwendbaren Rechtsvorschriften.
Haben Sie auf Ihrer Website oder in Ihrer App Inhalte, die von der BayDiV ausgeschlossen sind, und die nicht barrierefrei sind, benennen Sie diese unter dieser Überschrift. Wenn Sie keine derartigen Inhalte haben, können Sie diese Überschrift löschen.
- Überschrift: Erstellung dieser Erklärung zur Barrierefreiheit
- Geben Sie das Datum der Erstellung bzw. der letzten Aktualisierung an.
- Achtung: Die Erklärung zur Barrierefreiheit muss mindestens jährlich überprüft und aktualisiert werden.
- Die Erklärung kann entweder auf einer Selbstbewertung oder auf eine durch eine dritte Stelle durchgeführte Bewertung basieren. Bei einer Bewertung durch Dritte sollte die Prüfstelle genannt werden.
- Wünschenswert ist, ebenfalls die Prüfmethode zu benennen.
- Überschrift: Feedback und Kontaktangaben
- Der Feedback-Mechanismus ist das Kernstück der Erklärung zur Barrierefreiheit. Er soll betroffenen Personen eine einfache Möglichkeit bieten, konkrete Barrieren zu melden und Unterstützung zu erhalten.
- Tragen Sie hier die Kontaktdaten eines oder mehrere Ansprechpartner ein und achten Sie darauf, dass die Anfragen bearbeitet werden.
- Überschrift: Durchsetzungsverfahren
- Sollte die verantwortliche Stelle die Anfragen von Menschen mit Behinderungen nicht oder nicht zufriedenstellend beantworten, haben diese das Recht sich an die Durchsetzungs- und Überwachungsstelle zu wenden.
- Voraussetzung für die Meldung bei der Durchsetzungs- und Überwachungsstelle ist, dass sich der Nutzende bereits an den unter Feedback angegeben Kontakt der öffentlichen Stelle gewendet hat und diese innerhalb von sechs Wochen ganz oder teilweise unbeantwortet geblieben ist.
- Die Informationen in diesem Abschnitt übernehmen Sie inklusive der Links unverändert aus der Mustererklärung.
- Überschrift: Weitere Angaben
- Weitere Angeben können beispielsweise sein, dass aktuell an einem barrierefreien Relaunch der Website gearbeitet wird und deswegen die aktuelle Website nicht weiterentwickelt wird (am besten mit dem geplanten Launch-Zeitraum).
- Wenn Sie zusätzliche Funktionen zur leichteren Bedienung Ihrer Website implementiert haben, werden diese an dieser Stelle erläutert. Dies können Webreader, die dem Nutzer den Inhalt der Webseite vorlesen, sein oder eine Übersicht der in deutscher Gebärdensprache vorliegenden Informationen.
- Wenn Sie keine weiteren Angaben machen möchten, streichen Sie diesen Abschnitt.
Beispiele für eine verständliche Erklärung von Mängeln
- Das Login-Formular der Anwendung für den Dokumentenaustausch ist per Tastatur nicht vollständig nutzbar.
- Im Cookie-Banner ergibt die Betätigung der Tab-Taste keine sichtbare Verschiebung des Fokus.
- PDF-Downloads, die vor [JJJJ] eingestellt wurden sind nicht barrierefrei. Später eingestellte PDF-Dateien werden in barrierefreier Version erstellt bzw. schnellstmöglich durch eine solche ersetzt.
- Bei Videos, die vor [JJJJ] eingestellt wurden, fehlen die Untertitel und die Audiodeskription. Bei neueren Videos sind diese ergänzt. Wir bemühen uns, die fehlenden Untertitel schnellstmöglich nachzureichen.
- Für die per Drop-Down zu bedienenden Elemente, wie die Auswahlmenüs auf Formularseiten, fehlt die Beschriftung.
Webseiten testen
Webseiten müssen bei der Aktivierung und danach in regelmäßigen Abständen auf die Erfüllung der Anforderungen an Barrierefreiheit überprüft werden.
Wie Sie Webseiten sowie Software oder Apps testen können, lesen Sie unter Barrierefreiheit testen.
„Automatische“ Tools für Barrierefreiheit
Viele Anbieter werben mit sogenannten Overlay-Tools, die Ihre Website automatisch barrierefrei machen. Das ist aktuell technisch leider nicht möglich.
Ein Overlay-Tool ist eine Software, die das Aussehen Ihrer Website verändert, oder den Text vorliest. Beispiele für häufig eingesetzte Overlay-Tools sind accessiBe, EqualWeb, EyeAble, ReadSpeaker oder UserWay.
Overlays versagen bei elementaren Anforderungen der Barrierefreiheit, wie etwa der Herstellung der Tastaturbedienbarkeit oder wenn es darum geht, Formulare barrierefrei zu machen. Auch verlinkte Dokumente werden nicht „auf Knopfdruck“ barrierefrei. Deswegen dienen diese Tools nicht zur Herstellung der Barrierefreiheit nach der EN 301 549.
Daher warnen die maßgeblichen Expertinnen und Experten für Barrierefreiheit davor, Overlay-Tools einzusetzen. Die Gemeinsame Einschätzung der Überwachungsstellen des Bundes und der Länder für die Barrierefreiheit von Informationstechnik zur Verwendung von Overlay-Tools erläutert die Gründe im Detail.
In der EN 301 549 werden rund 100 Kriterien definiert, die eine Website erfüllen muss, um als barrierefrei zu gelten. Nur ca. 20 Prozent dieser Kriterien können aktuell (2024) automatisiert getestet werden.
Um eine nicht barrierefreie Website barrierefrei zu machen, müsste ein Tool zunächst die Barrieren analysieren. Erst dann könnten geeignete Maßnahmen ergriffen werden, die Barrieren zu beseitigen. Da aber eine Software mögliche Fehler nur bei ca. 20 Prozent der Kriterien der EN 301 549 erkennen kann, können auch nur maximal diese gezielt behoben werden.
In manchen Fällen können Overlay-Tools auch nützlich sein. Beispielsweise können Sie die Zugänglichkeit verbessern, etwa indem sie Texte der Webseite vorlesen (Webreader) oder eine einfache Möglichkeit bieten, die Farben oder den Kontrast zu ändern. Das kann nützlich für Personen sein, die nicht wissen, dass man Einstellungen über das Betriebssystem oder den Browser vornehmen kann. Menschen mit einer Behinderung kennen allerdings in der Regel diese Einstellungsmöglichkeiten. Für sie stellen Overlays häufig Barrieren dar.
Erstellen barrierefreier PDF-Dokumente
PDF-Dokumente gehören zu den am häufigsten genutzten Dateiformaten im digitalen Verwaltungsalltag – und sind gleichzeitig eine große Barriere für viele Menschen mit Einschränkungen. Oft fehlen ihnen Überschriftenstrukturen, Alternativtexte oder eine sinnvolle Lesereihenfolge.
Ein eigener Handlungsleitfaden zeigt praxisnah, wie barrierefreie PDFs erstellt werden können. Er vermittelt Grundlagen, sensibilisiert für typische Probleme und gibt konkrete Handlungsempfehlungen zur barrierefreien Gestaltung von PDF-Dateien. All dies ist verständlich aufbereitet und leicht in den Arbeitsalltag integrierbar.
Ein Blick in den Leitfaden "Barrierefreie PDF-Dokumente erstellen" lohnt sich für alle öffentlichen Stellen, die digitale Teilhabe ermöglichen und gesetzliche Anforderungen erfüllen möchten.
Barrierefreiheit umsetzen
Barrierefreiheit sollte schon bei der Planung aller Kommunikationsmaßnahmen beginnen. Schaffen Sie eine klare Zuständigkeit für digitale Barrierefreiheit.
Es ist sinnvoll, digitale Barrierefreiheit zentral zu implementieren. Sie betrifft nämlich viele Bereiche: Sie reicht von konzeptionellen Entscheidungen und Ausschreibungen über Sensibilisierungsmaßnahmen und Schulungen bis hin zur konkreten Umsetzung einer Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das muss organisiert werden.
Die zuständige Person oder Abteilung für digitale Barrierefreiheit sollte gut vernetzt sein und wissen, ob bei bestehenden oder neuen Kommunikationsmaßnahmen digitale Barrierefreiheit berücksichtigt wurde.
Denken Sie Barrierefreiheit von vornherein mit
Barrierefreiheit nachträglich in IT-Produkte zu integrieren, ist kompliziert und langwierig. Besser ist es, Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken. So werden Fehler schon bei frühen Entscheidungen wie Ausschreibungen oder der Konzeption vermieden. Das spart personelle Ressourcen, Zeit und Geld.
Bauen Sie ein Wissensmanagement auf
Wissen ist bei der digitalen Barrierefreiheit entscheidend. Wie gestalte ich eine Ausschreibung, dass sie die gesetzlichen Vorgaben erfüllt? Wie entscheide ich, welche Agentur geeignet ist? Wie garantiere ich nachhaltig die barrierefreie Befüllung meines Redaktionssystems? Wie kann ich sichergehen, dass auch neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter barrierefreie Dokumente erstellen?
Das alles ist Wissen, das nicht von heute auf morgen entsteht und das immer wieder erneuert werden muss. Schulen Sie also Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bieten Sie Fortbildungen an und stellen Sie Infomaterialien zur Verfügung.
Nutzen Sie dafür auch die Ressourcen und die Beratungsleistungen der Beratungsstelle Barrierefreiheit sowie die Hilfen unterschiedlicher Herausgeber, die von der Beratungsstelle Barrierefreiheit überprüft und vorgestellt werden.
Identifizieren sie, was barrierefrei gemacht werden muss
In öffentlichen Stellen, Organisationen oder Unternehmen ist die Zahl an Kommunikationsmedien häufig groß. Zumeist gibt es eine oder mehrere Webseiten, verschiedene Softwarelösungen, Apps sowie eine Vielzahl von im Internet bereitgestellten Dokumenten. Überprüfen Sie diesen gesamten Stand an Medien. Stellen Sie fest, wozu Sie gesetzlich verpflichtet sind, wo Barrierefreiheit schon umgesetzt ist und wo noch Mängel bestehen.
Weitere Informationen
Für das beste Ergebnis sollte in allen Projektphasen die Barrierefreiheit beachtet werden: in Konzeption, Programmierung und Redaktion. Weitere Tipps für alle Phasen der Erstellung finden Sie im Blog der Beratungsstellen Barrierefreiheit. Wenn Sie den Newsletter Barriere? Los! abonnieren, erhalten Sie die neuesten Tipps monatlich direkt in Ihr Postfach.
