08.01.2024

Leichte Sprache sprechen

Leichte Sprache und Unterstützte Kommunikation

Eine Person hält sich ein Schild mit einem Fragezeichen vor das Gesicht.

Foto: Carola Nagel

Leichte Sprache ist ein schriftliches Konzept, mit Hilfe dessen Texte in verständliche Sprache übersetzt werden. Die Regeln der Leichten Sprache sind auf Texte zugeschnitten. Doch wie sieht es bei der gesprochenen Sprache aus? Kann man Leichte Sprache auch sprechen? Der Bedarf dafür ist auf jeden Fall da. In der Praxis gibt es verschiedene Konzepte, um Personen mit Lernschwierigkeiten oder andere Personen, die Verstehensprobleme haben, zu unterstützen.

 

Leicht Sprechen – Beispiele aus der Praxis

 

Simultandolmetschen in Leichte Sprache

Für alle, die schon einmal das Übersetzen in Leichte Sprache ausprobiert haben, ist es eine unglaubliche Vorstellung: Die vielen Schritte, bis ein Text zur Leichten Sprache wird, das Strukturieren der einzelnen Aussagen, das Umformulieren, Kürzen und Erklären, in das man viel Zeit investiert – das alles in Echtzeit leisten? Dennoch, es gibt zwar nicht viele, aber es gibt sie: Simultandolmetscherinnen und –dolmetscher für Leichte Sprache. So können zum Beispiel bei Veranstaltungen Besucherinnen und Besucher über Kopfhörer oder online über einen eigenen Audiokanal die Inhalte in Leichte Sprache übersetzt anhören. Eine tolle Vorstellung, dass es das vielleicht immer mehr geben wird: Die Einen hören in einer Fremdsprache mit, die Anderen in Leichter Sprache.

 

Konsekutives dolmetschen oder moderieren

Bei diesem Konzept wird nicht parallel zum Originalton gedolmetscht, sondern eine in Leichter Sprache geschulte Person fasst, zum Beispiel bei einer Veranstaltung, nach einer gewissen Zeit die gehörten Inhalte für alle Anwesenden zusammen. So spricht zum Beispiel bei einem Vortrag die Rednerin für fünf Minuten und danach ordnet die Dolmetscherin das Vorgetragene ein und fasst die wichtigsten Thesen oder Punkte in Leichter Sprache zusammen. Ein Nachteil dieses Formats ist, dass sich ein Teil der Zuhörenden viele vielleicht unverständliche Inhalte anhören muss und die, die alles verstehen, hören alles doppelt an. Andererseits stärkt diese Methode das gemeinsame Vortragserleben und schafft es vielleicht auch, den Blick für die Bedürfnisse bzw. die Alltagsrealität der „anderen Seite“ zu stärken.

 

Verstehensassistenz

Die Verstehensassistenz ist eine individuelle Unterstützung für Personen, die zum Beispiel an einer Veranstaltung oder einer Arbeitsgruppe teilnehmen und teilweise auf Erklärungen in Leichter Sprache angewiesen sind. Die Verstehensassistenz begleitet die Person zu den Terminen oder Veranstaltungen, hält sich im Hintergrund und erläutert oder erklärt bei Bedarf schwierige Wörter oder Zusammenhänge. Der genaue Ablauf ist hierbei individuell vereinbart und beruht natürlich auch auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.

 

Doch wie sieht es nun aus mit den Vorgaben für Leichte Sprache und dem gesprochenen Wort? Das wohl alltäglichere Setting ist ein persönliches Gespräch mit einer Person, die Leichte Sprache benötigt. Können hierbei die Regeln der Leichten Sprache helfen?

 

Kurze Sätze, einfache Wörter – das geht beim Sprechen genauso wie beim Schreiben

Viele Regeln sind zwar für Texte gedacht, lassen sich aber gut auf das Sprechen übertragen: Kurze Sätze machen, schwierige Wörter vermeiden oder erklären, eine aktive Sprache nutzen usw.

Andere Regeln, wie zum Beispiel die Gestaltungsregeln, scheinen zunächst irrelevant fürs Sprechen, können aber im übertragenen Sinn angewendet werden. Jeden Satz in einer neuen Zeile beginnen, viele Absätze machen, durch Schriftgröße und Zeilenabstand das Layout „luftig“ halten; das kann man übertragen in Sprechpausen, Zeit zum Verstehen und „Mitkommen“ geben, langsam(er) sprechen bzw. nicht so viel auf einmal sagen.

 

Die eigene Sprache dem Gegenüber anpassen

Das übergeordnete Prinzip der Leichten Sprache, nämlich die eigene Sprache an die Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen, ist sowohl schriftlich als auch mündlich möglich. Bei der schriftlichen Leichten Sprache hat man natürlich den Vorteil, dass durch die Verständlichkeitsprüfung eine Absicherung stattfindet, dass alles verständlich ist. Das fällt beim Sprechen weg. Allerdings hat man, zumindest bei einem persönlichen Gespräch, den Vorteil, dass man eine direkte Rückmeldung bekommt – wenn sich das Gegenüber traut, zu sagen, dass er oder sie einen nicht versteht. Gerade für Menschen, die oft etwas nicht verstehen, braucht das aber sehr viel Selbstbewusstsein. Und es braucht den Raum, etwas sagen zu können, was oft bedeutet: Es braucht die Zeit, die Pause, das Abwarten.

 

Auf die Haltung kommt es an

Regeln zum leichter Sprechen sind das Eine, aber gerade im persönlichen Gespräch ist eine viel wichtigere Sache oft die eigene Haltung. Achte ich auf mein Gegenüber? Lasse ich ihn oder sie auch zu Wort kommen? Gehe ich davon aus, dass mein Gegenüber genauso wichtige Dinge zu sagen hat wie ich?

Und nicht zuletzt: Wie gehe ich damit um, wenn der Andere mich nicht versteht?

 

Der Perspektivwechsel der Leichten Sprache

Hierbei hilft der Perspektivwechsel, der typisch für die Leichte Sprache ist, und der z. B. auch durch den Prüfprozess von Texten tief verinnerlicht wird: Wenn mein Gegenüber mich nicht versteht, dann muss nicht mein Gegenüber sich mehr anstrengen, sondern ich muss es noch einmal anders sagen.

Und was sagen Personen mit Lernschwierigkeiten dazu? Was macht für sie ein gutes Gespräch (in Leichter Sprache) aus? Als Abschluss sollen sie selbst zu Wort kommen. Die Antworten kommen von Maria, Denis und Tanja, Prüferinnen und Prüfer für Leichte Sprache.

 

Das Wichtigste ist der gegenseitige Respekt

Was macht für dich ein gutes Gespräch aus?

  • „Wenn man sich gegenseitig respektiert.“
  • „Wenn der andere keine komplizierten Wörter verwendet.“
  • „Wenn nicht alles auf einmal kommt, sondern eins nach dem anderen.“
  • „Öfter mal abwarten würde helfen. Die Leute sollen auch Menschen mit Lernschwierigkeiten die Möglichkeit geben, etwas zu sagen.“
  • „Wenn man mich wie einen erwachsenen Menschen behandelt.“

 

Autorin: Carola Nagel, CAB Caritas

 

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