Neue Mitte in Freising

  • Zeitraum: Mai 2022
  • Beratungsschwerpunkt:
    • Planen & Bauen

In Freising wird seit 2016 die historische Altstadt in mehreren Bauabschnitten neu gestaltet. In enger Kooperation mit dem Berliner Planungsbüro ST raum a. wird eine barrieregerechte Gestaltung umgesetzt, die die Bedürfnisse von Spazierenden und Radfahrenden sowie von Menschen mit Geh- und Sehbehinderung gleichermaßen berücksichtigt.

Im Vordergrund eine Person mit Blindenstock vor dem taktilen Leitsystem mit einem Begleiter. Im Hintergrund mehrere Personen, unter anderem eine Rollstuhlfahrerin.
Verschiedene Plattenformate auf dem Boden.
Die Überlagerung aus Bild und Schema zeigt den einzuhaltenden Abstand von 80 Zentimetern zwischen der Entwässerungsrinne und dem Pflaster.
mehrere Personen mit Blindenstock testen das taktile Leitsystem auf einem Musterstück mit verschiedenen Pflastersteingrößen.
Blick in eine Straßenflucht. Auf dem Boden ist ein kleinformatiges Granitsteinpflaster für die Befahrung und das großformatige Pflaster für Fußgänger.
Blick in eine Straßenflucht. Auf dem Boden ist ein kleinformatiges Granitsteinpflaster. In der Mitte des Bodens eine Entwässerungsrinne.
Blick auf einen Platz. Im Vordergrund eine runde Sitzgelegenheit um einen Baum.
Blick auf eine Häuserzeile. Auf dem Boden ist ein kleinformatiges Granitsteinpflaster für die Befahrung und das großformatige Pflaster für Fußgänger.

Die mittig eingelassene Entwässerungsrinne fungiert gleichzeitig als ein taktiles Leitsystem für Menschen mit Sehbehinderung.

Architektur: ST raum a. Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Foto: ST raum a. - Stadt Freising

 

Mehr Barrierefreiheit für Menschen mit Geh- und Sehbehinderung

Die Domstadt Freising wird seit jeher durch ihr pittoreskes Zentrum rund um den Marienplatz geprägt.  2014 hatten die Verantwortlichen sich für eine umfassende Neugestaltung des gesamten Bereiches entschieden. Bislang wurde die historische Altstadt durch eine deutliche Trennung zwischen Fahrbahn und dunkel gepflasterten Bürgersteigen in Form einer zehn Zentimeter hohen Bordsteinkante geprägt. Durch eine zurückhaltende Umgestaltung der Oberflächen mit einem differenziert aufgebrachten, bewusst durchgehenden hellen Natursteinbelag sollte stattdessen die Aufenthaltsqualität gesteigert, die historische Kulisse in den Blickpunkt gerückt und gleichzeitig deutlich mehr Barrierefreiheit für Menschen mit Geh- und Sehbehinderung erreicht werden.

Das inklusive Konzept

Mit der Planung und Umsetzung des Projektes „Freisinger Stadtboden“ war auf Basis einer öffentlichen Ausschreibung im Sommer 2016 das Berliner Büro ST raum a. beauftragt worden. Ausgehend von den vorhandenen Stadtstrukturen und aufbauend auf einer aufwändigen vorherigen Bemusterung verschiedener Varianten mit unterschiedlichen Nutzergruppen entstand ein inklusives Konzept, das die Bedürfnisse von Autofahrern, Fußgängern, Radfahrern ebenso wie von sehbeeinträchtigten oder rollstuhlfahrenden Menschen gleichermaßen berücksichtigt:

„Denn ein modernes Stadtzentrum muss Lebens- und Erlebnisraum für alle Menschen sein – unabhängig vom Alter und von körperlichen Einschränkungen“,

wie die Stadt betont.

Ein zentrales Element der neuen Gestaltung ist der in der Oberen und Unteren Hauptstraße entlang der Baufluchten umgesetzte, zwei Meter breiter Flanierstreifen aus großformatigen hellen Granitsteinplatten. Der Bereich ist ausschließlich den Fußgängern vorbehalten, die hier ungehindert entlang der Ladenzeilen spazieren können. Im mittleren Straßenbereich wurde abweichend eine befahrbare Fläche für Anliefer-, Feuerwehrfahrzeuge, öffentliche Verkehrsmittel und Radfahrende mit kleinformatigem Granitsteinpflaster geschaffen. Im Bereich der Stadteingänge wurden außerdem die Schatten der historischen Stadttore mit einem dunklen Basaltstein nachgezeichnet und erhöht.
„Ankommende Autofahrer wissen also sofort, dass sie jetzt in die Altstadt einfahren“, erklärt Architekt Tobias Micke, Mitbegründer von ST raum a.

Komplettiert wird die neue Gestaltung durch eine zwischen dem Flanierstreifen und dem Straßenbereich integrierte, 50 Zentimeter breite und 15 Millimeter tief eingesenkte Entwässerungsrinne aus ebenen Natursteinplatten mit gestrahlter Oberfläche:

„Die Rinne stellt einerseits eine effektive Ableitung von Oberflächenwasser sicher, sie fungiert aber vor allem als ein taktiles Leitsystem für Menschen mit Sehbehinderung“,

erläutert Projektleiter Jonathan Pilz von ST raum a.

Visuelle Kontraste für Menschen mit Sehbehinderung

Zusätzlich unterstützt wird das Konzept durch dunkle Bojensteine, die gleichzeitig einen deutlichen visuellen Kontrast für Menschen mit Sehbehinderung schaffen:

„Im Zusammenspiel ist eine durchgehende Vernetzung entstanden, die eine nahezu barrierefreie Durchquerung des gesamten Stadtkerns mit den zentralen Einrichtungen Rathaus, Asamgebäude, Marienplatz und Kriegerdenkmal ermöglicht“,

so Tobias Micke.

Die Neugestaltung der Freisinger Innenstadt wurde im Städtebauförderungsprogramm „Aktive Zentren“ mit Mitteln des Bundes und des Freistaats Bayern gefördert. An der Lösung wirkten im Vorfeld unter anderem die Freisinger Agenda 21-Projektgruppen „Menschen mit Behinderungen“ sowie „Seniorinnen und Senioren“ mit. Der anschließende Planungsprozess wurde durch die Beratungsstelle Barrierefreiheit der Bayerischen Architektenkammer sowie durch den Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund begleitet.

 

 Autorin: Eva Herrmann

Innenstadt-Neugestaltung:

Mehr Informationen über die Umsetzung des Innenstadt-Umbaus finden Sie auf der Seite der Stadt Freising:
https://innenstadt.freising.de/umsetzung