Mit allen Sinnen: Barrierefreiheit im Ägyptischen Museum München

Bei der Planung und Umsetzung des 2013 eröffneten Ägyptischen Museums in München wurde Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht.

  • Zeitraum: Januar 2022
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Bei der Planung und Umsetzung des 2013 eröffneten Ägyptischen Museums in München wurde Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht. Vor Ort können zum Beispiel Blinde Steine und Skulpturen ertasten, ebenso werden spezielle Führungen für Hörgeschädigte, Gehörlose und andere Zielgruppen angeboten.

Ein Tisch mit Steinobjekten zum Befühlen. Dank der geringen Höhe und Gestaltung ist der Tisch mit dem Rollstuhl, der davor steht, unterfahrbar.
Das taktile Leitsystem im Ausstellungsraum aus Messingleisten, die bei Richtungswechsel mit einem Pfeil enden.
Der Info- und Kassenbereich in der Mitte im Eingangsbereich  Ein Rollstuhl steht vor der unterfahrbaren Museumstheke/kasse.
Ein Rollstuhl vor einem unterfahrbaren ScreenTouch-Tisch Auf dem Boden das taktile Leitsystem, im Hintergrund einzelne Steinobjekte auf Blöcken.
Ein Gang mit Objekten auf Betonblöcken auf beiden Seiten des Gangs. Links hinten eine Treppe, die nach oben führt. Vorne das taktile Bodenleitsystem aus Messingleisten, die bei Richtungswechsel mit einem Pfeil enden.
Auf einem Tisch vor dem Objekt links ein Austellertext in Braille-Schrift und rechts ein Tablet- Ausstellerguide.

Im Raum „Ägypten erfassen“ können Nachbildungen antiker Skulpturen taktil erforscht werden.

Architektur: Peter Böhm Architekten

Foto: Daniel Sommer, Bayerisches Sozialministerium

Wie in einem anitken Tempel

Ein Zugang ganz wie in einem antiken Tempel: Wer das Ägyptische Museum in München besucht, der schreitet zunächst eine flach abfallende Freitreppe hinunter und gelangt dann durch eine vergleichsweise kleine Öffnung in einer mächtigen Portalwand in die komplett unterirdisch gelegene Ausstellung. Und je weiter man dann ins Innere des Hauses vordringt, desto kleiner und enger werden die Räume. Betont wird der beinahe mystische Eindruck durch die Verwendung von Sichtbeton, das mit seiner kraftvoll-archaischen, aber dennoch zurückhaltenden Materialität den passenden Rahmen für die Präsentation der Werke bietet.

Zugang für Alle

Für gehbehinderte Menschen gestaltet sich der Zugang zu dem 2013 nach Plänen des renommierten Architekten Peter Böhm eröffneten Museum deutlich profaner über einen rückseitigen Fahrstuhl. In den Museumsräumlichkeiten angelangt, findet sich dann allerdings ein bewusst offenes und barrierefreies Angebot, das unterschiedlichste Formen von Beeinträchtigung berücksichtigt. Das Konzept wurde federführend durch die ehemalige Museumsdirektorin Dr. Sylvia Schoske initiiert und dann in einem sukzessiven Prozess und im engen Austausch mit dem betroffenen Publikum weiter ausgearbeitet:

„Das Angebot reicht vom rollstuhlgerechten Info- und Kassenbereich bis hin zur Bereitstellung von induktiven Höranlagen, mit denen auch Menschen mit Hörgerät oder mit Cochlea-Implantat problemlos zuhören und sich austauschen können“,

erklärt Roxane Bicker, die für den Bereich Kulturvermittlung im Haus an der Planung beteiligt war.

Vielfach berücksichtigt werden im Museum auch die besonderen Bedürfnisse von blinden oder sehbehinderten Menschen. „So werden einerseits die Raumtexte im Museum als Stichpunkte in Braille-Schrift zusammengefasst, außerdem führt eine erhabene, mit dem Langstock ertastbare Bodenlinie durch die Ausstellung“, berichtet Architekt Uwe Gutjahr, der als Freier Berater der Beratungsstelle Barrierefreiheit der Bayerischen Architektenkammer mit dem Projekt befasst war. Im Raum „Ägypten erfassen“ ist es dabei sogar möglich, Nachbildungen antiker Skulpturen, Reliefs und Proben von ägyptischen Gesteinen mit den Händen zu erforschen, um so die Materialien und Formensprache der damaligen Kunst nachzuvollziehen. „An einer Reihe von Nachbildungen sind außerdem die einzelnen Arbeitsschritte zur Herstellung einer Skulptur ertastbar, vom rechteckigen Steinblock über die grob behauene Form bis zur vollendeten Frauenfigur“, so Roxane Bicker.

Siegel "Bayern barrierefrei"

Komplettiert wird das mit dem Siegel „Bayern barrierefrei“ bedachte Konzept durch individuell angelegte Führungen. So werden zum Beispiel Rundgänge für Menschen mit psychischen Erkrankungen angeboten, die vor allem ein positives Erlebnis schaffen wollen. Gemeinsam mit gehörlosen, hörbehinderten und hörenden Jugendlichen wurde außerdem ein barrierefreier Multimedia-Guide erarbeitet, der auch in Gebärdensprache durch die Ausstellung führt.

Beleuchtung

In manchen Bereichen musste aber auch abgewogen werden zwischen den Anforderungen an Barrierefreiheit und dem Gesamterlebnis des Ausstellungsbesuches. Das betrifft unter anderem das Thema Beleuchtung. Um hier eine spannungsreiche Gesamtwirkung mit helleren und dunkleren Zonen zu erhalten, konnten einige Bereiche der Ausstellung nicht vollständig barrierefrei für blinde und sehbehinderte Menschen umgesetzt werden. „Aber auch sonst hätten wir uns gewünscht, dass das Thema Barrierefreiheit bereits im Rahmen der architektonischen Planung noch stärker berücksichtigt worden wäre“, blickt Uwe Gutjahr zurück.

„Aber immerhin ist es durch vielfache Intervention des Museums gelungen, die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer sukzessive in den Fokus zu rücken.“

 Autorin: Eva Herrmann

Standort:

Staatliches Museum Ägyptischer Kunst
Arcisstraße 16
80333 München

Mehr Informationen finden Sie auf der Seite des Museums:
https://smaek.de/