Digitale Barrierefreiheit

Interview mit Dennis Bruder, Referent für Onlinemarketing und Social Media sowie Berater für digitale Barrierefreiheit der Stiftung Pfennigparade

  • Zeitraum: März 2023
  • Beratungsschwerpunkt:
    • Digitale Barrierefreiheit

Wenn es um Barrierefreiheit geht, hat jeder meist die physischen Hindernisse im Kopf. Doch das Thema Barrierefreiheit ist auch im digitalen Raum wichtig. Hier gibt es ebenfalls digitale Barrieren, die es aufzuspüren und zu verhindern gilt.

Tastatur mit Rollstuhl-Icon statt AltGr-Taste
Auf dem Monitor sieht man das Programm PDF Accessibility Checker

Spezielle technische Hilfsmittel unterstützen bei der Nutzung digitaler Medien.

Foto: Stiftung Pfennigparade

BYAK: Herr Bruder, für die Stiftung Pfennigparade sind Sie als Referent für digitale Barrierefreiheit tätig. Was bedeutet Barrierefreiheit bei einem Web-Auftritt?

Dennis Bruder: Digitale Barrierefreiheit ermöglicht die Nutzung von digitalen Medien und Informationen, uneingeschränkt und ohne fremde Hilfe. Angefangen bei der Zugänglichkeit für jede Person, unabhängig von Ort und Zeit sowie von der Wahl des Endgeräts. Außerdem nötig ist zudem ein Mitdenken in der Konzeption der Struktur, des Designs, aber auch der redaktionellen Bearbeitung. Das fertige Produkt muss am Ende so gestaltet sein, dass alle darauf zugreifen können. Wobei es nicht von Belang ist, ob die persönlichen Einschränkungen im Bereich des Sehens, Bewegens, Hörens, Verstehens und Sprechens liegen. Dabei unterstützen entsprechende Hilfsmittel wie ein Screenreader, Spracheingaben, Braillezeile, eine Spezialtastatur, Joystick-Maus oder eine Vorlesefunktion und das zusätzliche Angebot zu Gebärdensprache und Leichter Sprache. Hilfsmittel können allerdings nur auf Inhalte zugreifen, wenn diese auch barrierefrei gestaltet sind.

BYAK: Wie sieht der Weg zu einem barrierefreien Webauftritt aus?

Dennis Bruder: Die größte Herausforderung ist, dass digitale Barrieren erst einmal unsichtbar sind. Wenn man einen Bildschirm uneingeschränkt wahrnehmen kann und einen Computer mit Tastatur und Maus oder ein Smartphone mit Handgesten bedienen kann, fallen Barrieren überhaupt nicht auf. Für eingeschränkte Menschen sind sie jedoch da und bedeuten unüberwindliche Hürden. Will man also eine Webseite planen und erstellen, ist es entscheidend, eine Sensibilität bezüglich der Bedürfnisse eingeschränkter Menschen aufzubauen. Man sollte Barrieren verstehen und Lösungswege kennen, wie man Barrieren überwinden kann. Der Prozess beginnt also ganz am Anfang und benötigt Vorkenntnisse. Wie in allen anderen gestalterischen Prozessen auch, müssen vor dem Startschuss somit einige strukturelle und organisatorische Regeln festgelegt werden. Das beginnt bei der gemeinsamen Denkweise und der Formulierung einer Zielsetzung. Es ist hilfreich, eine klare Zuständigkeit innerhalb der Organisation zu haben, die sich des Themas Barrierefreiheit annimmt, es voranbringt und vor allem auch die Bewusstseinsbildung und später die Schulung bei den Mitarbeitenden umsetzt. Organisatorisch beginnt Barrierefreiheit bereits in der Ausschreibung der Leistung und geht bis zur Gestaltung der barrierefreien PDFs, die als Download zur Verfügung stehen. Im Corporate Design der Unternehmen und Verwaltungen muss die Barrierefreiheit ebenfalls mit bedacht sein. Zum Beispiel über Farbschemata, die Kontraste ermöglichen. Das sind aber nur einige Aspekte, die Stellschrauben sind vielfältig.

BYAK: Auf was muss man bei der Umsetzung achten?

Dennis Bruder: Die gesetzliche Anforderung in Deutschland ist die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0). Eine gute Richtschnur sind außerdem die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), deren vier Prinzipien die Basis darstellen: wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust. Diese sind ursprünglich nicht für Webseiten entwickelt worden, gelten aber auch für andere IT-Produkte wie Apps, Software oder Dokumente. Die nächste Thematik richtet sich nach den technischen Komponenten. Sind Video- oder Audiodateien eingebettet? Welcher Player wird verwendet und werden Transkripte zur Verfügung gestellt? Wie findet die Kontaktaufnahme statt, und vieles mehr. Ein weiterer grundlegender Gedanke ist auch das sogenannte Zwei-Sinne-Prinzip. Dieses zielt darauf ab, einen ausgefallenen Sinn mit einem anderen zu kompensieren. Diese Logik macht sich ein Großteil der digitalen Barrierefreiheit zunutze. Wenn beispielsweise ein Video nicht gehört werden kann, wird es, mit Untertiteln, eine Datei zum Ansehen. Anstelle von Bildern und Grafiken können Alternativtexte vorgelesen werden usw. Wenn die verschiedenen Themen von Anfang an mit bedacht werden, dann kann barrierefreies Design schön und nützlich sein und allen NutzerInnen dienen.

 

 Autorin: Eva Herrmann

Standort:

Stiftung Pfennigparade
Barlachstraße 24-36
80804 München

Beratungsangebot "Digitale Barrierefreiheit":
https://beratungstelle-barrierefreiheit.de/beratungsthemen/digitale-barrierefreiheit.html