Das Recht auf Leichte Sprache
Leichte Sprache und Unterstützte Kommunikation
Leistungsträger, Antrag auf Grundsicherung, Feststellung von Mehrbedarf …
„Wenn ich einen Brief vom Amt bekomme, dann brauch ich den gar nicht erst zu lesen, ich versteh ihn ja sowieso nicht.“
(Frau G., eine junge Frau mit Lernschwierigkeiten)
Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten haben häufig Kontakt mit Ämtern und Behörden. Eine passende Sprache für sie gibt es dabei oftmals nicht.
Ja, es hat sich in den letzten Jahren einiges getan in Bezug auf die Leichte Sprache. Viele Behörden, Stadtverwaltungen und Einrichtungen haben sich auf den Weg gemacht, Informationen in Leichter Sprache bereitzustellen. Oftmals haben neue gesetzliche Vorgaben den Anstoß gegeben.
Trotzdem ist da noch viel Luft nach oben, besonders wenn es um die direkte Kommunikation zwischen Institutionen und Bürgerinnen und Bürgern mit Lernschwierigkeiten geht, beispielsweise bei Bescheiden etc. In vielen Fällen bekommen Personen Entscheidungen, die sie direkt betreffen, in einer Sprache mitgeteilt, die sie nicht verstehen können. Eigentlich absurd, aber sehr alltäglich.
Das Recht auf Leichte Sprache
Menschen mit Lernschwierigkeiten haben ein Recht auf Leichte Sprache. Ein Satz, der selbst Mitarbeitende aus dem sozialen Bereich oft überrascht. Daher haben wir hier einige rechtliche Grundlagen für die Leichte Sprache kurz zusammengefasst.
Das Grundgesetz: Keine Benachteiligung aufgrund von Behinderung
In Artikel 3 GG steht: „Niemand darf aufgrund einer Behinderung benachteiligt werden.“
Erstaunlicherweise erst 1994 ins Gesetz aufgenommen, ist dies auch als Grundlage für das Recht auf verständliche Informationen zu sehen. Von grundlegenden Informationen ausgeschlossen zu sein, z. B. von gesundheitsrelevanten Informationen – man denke kurz zurück an die Corona-Zeit –, ist eindeutig eine Benachteiligung.
UN-BRK: Gleichberechtigter Zugang zu Information und Kommunikation
Genauer beschrieben ist das Recht auf Information und Kommunikation in der UN- Behindertenrechtskonvention. 2009 in Deutschland ratifiziert, verpflichtet sich die Bundesregierung zu folgendem:
„Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zu (…) Information und Kommunikation (…) zu gewährleisten.“ (UN-BRK, Art. 9)
Das Behindertengleichstellungsgesetz: einfach und verständlich kommunizieren
Noch konkreter wird es im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Hier wird genau beschrieben, dass öffentliche Stellen ihre Sprache an die Bedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten anpassen sollen:
„Träger öffentlicher Gewalt sollen mit Menschen mit geistigen Behinderungen und Menschen mit seelischen Behinderungen in einfacher und verständlicher Sprache kommunizieren. Auf Verlangen sollen sie ihnen insbesondere Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke in einfacher und verständlicher Weise erläutern.
Ist die Erläuterung nach Absatz 1 nicht ausreichend, sollen Träger öffentlicher Gewalt auf Verlangen Menschen mit geistigen Behinderungen und Menschen mit seelischen Behinderungen Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke in Leichter Sprache erläutern (§ 11 BGG).
Das Bayerische BGG übernimmt die grundsätzlichen Formulierungen aus dem BGG, spricht jedoch von „besonders leicht verständlicher Sprache“.
Wer muss aktiv werden?
Nun sind Gesetze nicht gerade besonders einfach formuliert, aber vielleicht sind auch Ihnen schon ein paar kleine, aber sehr bedeutsame Wörter aufgefallen? Gemeint ist die Formulierung „auf Verlangen“. Die Kommunikation in einfacher oder Leichter Sprache erfolgt nur, wenn sie eingefordert wird. Damit das aber überhaupt geschehen kann, müssen die betroffenen Personen aber erst einmal davon erfahren, dass sie dieses Recht haben. Wobei wir wieder am Anfang wären, bei der Frage, ob jemandem alle wichtigen Informationen in einer verständlichen Sprache zur Verfügung stehen…
Erfreulicherweise gibt es Bestrebungen, hier etwas zu ändern. In einem Ende 2022 veröffentlichten Bericht der Bundesregierung über die Weiterentwicklung des BGG wird hierzu eine sehr sinnvolle Handlungsempfehlung ausgesprochen: Die Formulierung „auf Verlangen“ soll komplett gestrichen werden.
„Vielmehr sollten Träger öffentlicher Gewalt Menschen explizit auf die Möglichkeit der Erläuterung in Leichter Sprache hinweisen, wenn die Träger Kenntnis von der geistigen oder seelischen Beeinträchtigung erlangt haben.“ (Deutscher Bundestag 2022, Drucksache 20/4440)
Das ist ein interessanter Perspektivenwechsel, der die entsprechenden Stellen noch stärker in die Verantwortung nimmt.
Das Recht auf Selbstbestimmung
Informationen in einer Sprache zur Verfügung zu stellen, die von den Adressatinnen und Adressaten verstanden werden kann, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten nicht davon abhängig sein, ob sich jemand ihrer „erbarmt“ und ihnen etwas verständlich erklärt. Selbstbestimmung beginnt mit der Möglichkeit, sich eigenständig zu informieren. Das ist kein Privileg, das ist ein Recht, das viel zu viele Menschen noch nicht kennen!
Autorin: Carola Nagel, CABgGmbH
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