04.08.2023

Barrierefrei wählen – gar nicht so leicht

Leichte Sprache und Unterstützte Kommunikation

Eine Person steckt einen Zettel in eine Wahl-Urne.

Foto: Tanja Blum

Bald werden wieder in vielen Haushalten in Bayern Wahlbenachrichtigungen im Briefkasten landen. Neben dem Hinweis zu Datum, Uhrzeit etc. enthalten sie auch den Hinweis, ob das zugewiesene Wahllokal barrierefrei ist oder nicht. Überlegen Sie einmal kurz – wie stellen Sie sich ein barrierefreies Wahllokal vor? Vermutlich denken Sie zunächst an eine Rampe oder einen anderen stufenlosen Eingang, vielleicht an breite Türen und andere Maßnahmen baulicher Barrierefreiheit.

Doch bis jemand sein oder ihr Kreuz auf dem Wahlzettel machen kann, gibt es noch einige andere Hindernisse zu überwinden.

Welche Barrieren gibt es noch beim Wählen?

Die Sprache: Grundstein für Meinungsbildung und Teilhabe

Eine erste Barriere ist für viele die Sprache. Die amtliche Wahlbenachrichtigung enthält viele schwierige Begriffe, die für Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht verständlich sind. Die viel größere Sprachbarriere beginnt aber schon viel früher.

In den Wahlprogrammen und in der öffentlichen Berichterstattung sind sehr komplexe Begriffe der Standard. Bezirksrat – ist das eine Person oder doch vielleicht eher ein Gremium? Was ist ein Gesundheitswesen und möchte ich, dass Geld dafür investiert wird? Es ließen sich unzählige Beispiele finden.

Unsicherheit und Fremdheitsgefühl

Viele Personen mit Lernschwierigkeiten haben eine rechtliche Betreuung. Menschen, die „in allen Angelegenheiten“ rechtlich betreut werden, hatten bis 2019 noch gar kein Wahlrecht. 2021 durften 85.000 Menschen, die das betroffen hat, erstmals an einer Bundestagswahl teilnehmen und nun steht in Bayern die erste Landtagswahl an, seitdem das Wahlrecht geändert wurde. Kein Wunder also, dass vielen Menschen mit Lernschwierigkeiten das gesamte Prozedere fremd ist.

Die fremde Umgebung, evtl. viele Menschen um einen herum, unverständliche Hinweisschilder und das Gefühl, sich nicht auszukennen, vielleicht etwas falsch zu machen – auch das kann eine Barriere im Wahllokal sein oder dazu führen, dass man gar nicht erst hingeht.

Natürlich ist auch Briefwahl eine Option – allerdings ist die Beantragung und Durchführung für viele Menschen mit Lernschwierigkeiten ohne Hilfe schlicht nicht möglich.

Eine wichtige Aufgabe in der Zeit vor der Wahl ist es also, Menschen mit Lernschwierigkeiten zu ermutigen, sich das Wählen überhaupt zuzutrauen . Dafür wiederum muss es die Möglichkeit geben, sich (politisch) eine Meinung zu bilden. Hierzu braucht es noch mehr Informationen in Leichter Sprache und entsprechende Angebote der Vermittlung.

Eine junge Frau hält ein Schild in Form eines Stoppschildes mit der Aufschrift Leichte Sprache.

Foto: Tanja Blum

Eine Behinderung darf niemanden von der Teilnahme an einer Wahl ausschließen

Menschen mit Lernschwierigkeiten haben das Recht zu wählen. Aber um dieses Recht auch wahrnehmen zu können, brauchen sie verständliche Informationen. Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen kommt es auch beim Thema Wählen darauf an, dass die Teilhabe aller Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe (vgl. §4 BGG) möglich ist.

Weniger kompliziert drückt es Denis, ein junger Mann mit Lernschwierigkeiten aus:

„Genauso beim Wählen; dass ich in der Lage bin zu verstehen, wen ich wählen soll und was ich wähle, ohne dass man mir das erst erklären muss. Wenn die Politiker wollen, dass man sie wählt, sollten sie sich auch darum kümmern, dass jeder versteht, was er da wählt und wen er wählt.“

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Autorin: Carola Nagel, CAB gGmbH

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