01.08.2020

08/2020 "Abfall als Nährstoff – Mensch als Nützling"*: Kreislauforientierte Materialverwendung

Klimaschutz

"Nieuwe Lunet" Versorgungsgebäude der Sportstätten der Stadt Utrecht
kreislaufgerechter Neubau mit recycelten und recyclingfähigen Materialien
AG Nova Architecten

"Nieuwe Lunet" Versorgungsgebäude der Sportstätten der Stadt Utrecht kreislaufgerechter Neubau mit recycelten und recyclingfähigen Materialien AG Nova Architecten

Eine Wirtschaftsweise, die in einer begrenzeten Welt mit endlichen Ressourcen auf stetes Wachstum setzt, ist nicht nachhaltig. Es gilt neu zu verhandeln, was den Wohlstand der Menschen übermorgen ausmacht. Dafür brauchen wir neue Begriffe und Konzepte, die ausdrücken, was wir künftig wichtig finden.

                                      Maja Göpel, "unsere Welt neu denken"

 

 

Ein Großteil der Emissionen des Energie- und Ressourcenverbrauchs und deutlich mehr als die Hälfte unseres Abfallaufkommens sind der Bauwirtschaft zuzuschreiben. Die Um-strukturierung der Herstellungs-, Bau- und Entsorgungsprozesse hin zu einer kreislauforientierten Materialnutzung wird schon lange und intensiv diskutiert. Unter anderem hat die Europäische Kommission im Zuge des "Green Deal" einen "Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft für ein sauberes und wettbewerbsfähiges Europa" vorgelegt. Ein solches Modell muss weitreichend, innovativ und nachhaltig gestaltet werden und u. a. mit finanziellen Förderungen und Anreizen einhergehen (siehe BEN-Blog 07-2020).

Es gibt vielfältige, teils komplexe und vernetzt wirkende Parameter. Neben der Energie- und Ressourceneffizienz beim Materialeinsatz sind beständige Wertschöpfungsketten und recyclingfähige Materialkreisläufe von Bedeutung. Um diese zu forcieren, bedarf es der Motivation zur Wiederverwendung von vorhandenen baulichen Strukturen, Gebäuden und Baustoffen. Auch urbane und gebäudebezogene Materialkataloge gilt es zu erstellen und zu nutzen. Entstehen dabei dauerhafte, ökologische Gebäude mit rezyklierfähigen Bauteilen, kann langfristig ein Großteil der in Bauteilen gebundenen grauen Energien bewahrt werden. Werkstoffe nach ihrem Gebrauch weiter zu nutzen und in neue technische oder biologische Kreisläufe einzuführen, ist ein Prinzip, das über Jahrtausende Gültigkeit hatte. Viele historische Stätten und Bauwerke, die nach dem Untergang der zugehörigen Kulturen irgendwann als Materiallager genutzt wurden, wie das Kolosseum im Rom, sind anerkannte gebaute Beispiele. Der Transportaufwand der Baustoffe wurde dabei minimiert. Heute nennen wir dieses Prinzip der örtlichen Wiederverwendung u. a. Urban Mining, zirkuläre Wertschöpfung, Zero Waste oder Cradle to Cradle (siehe DABregional Bayern 05-2020): erfolgversprechende Systeme, deren flächendeckende Umsetzung aber noch auf sich warten lässt. Abfall kann also Nährstoff und der Mensch ein Nützling sein. Wie kann das im Bauwesen verstanden werden? Schon einmal genutzte Baumaterialien können auf verschiedene Art und Weise wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden - vom Downcycling, der Verminderung der Qualität, bis zum Upcycling, der Aufwertung eines Baustoffs. In Deutschland wird beispielsweise im Hochbau nur ca. 1 % Recyclingbeton verwendet, obwohl bis zu 90 % nach dem Ökoinstitut Darmstadt möglich wären. Der größte Teil des Betons aus Abrissen kommt als Unterbau beim Straßenbau zum Einsatz und entspricht somit nicht der eigentlichen Bedeutung des Materials. Wenn man sich dazu noch die Ressourcenknappheit bei Kies und Sand vor Augen ruft, stellt sich die Frage, wie lange die Herstellung aus Primärrohstoffen noch leistbar ist.

Verschwindet Beton als Endprodukt einer zusätzlich noch sehr energieintensiven Herstellungskette in minderwertigen Konstruktionen, geschieht das oftmals unbemerkt, da ein Großteil der Materialien nach ihrem Nutzungsende in keiner Bilanz mehr auftaucht oder keinen Wert oder Preis zugeordnet bekommt. Die hochwertige Wiederverwendung würde also neben der Energie- und Ressourcenwahrung auch wirtschaftlich einen erheblichen Mehrwert generieren, bei "Baustoffen" verschiedenster Materialität und in allen Maßstäben. Sei es, bei der Nutzung vorhandener urbaner Strukturen oder von Bestandsgebäuden, Bauteilen, Möbeln, bis hin zu alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Erfolgreichen Prozessen der Abfallvermeidung und Weiterverwendung geht ein intensiver und hoher Planungsaufwand auf Basis von Expertenwissen über Roh- und Baustoffe, deren Gewinnung, Verarbeitung, Instandhaltung und Wiederverwertung, voraus. Architekten, Landschaftsplaner, Innenarchitekten und Städtebauer können hierbei mit ihrer Qualifikation und Innovationsfähigkeit Einfluss nehmen und zum kreislauforientierten Planen und Bauen maßgeblich beitragen. Die BEN unterstützt und berät Sie gerne zu diesen Themenbereichen!

*aus der Cradle to cradle Philosophie

Autorin: Dr. Hermine Hitzler und Kathrin Valvoda

Weiterführende Links

Cradle to cradle ist machbar: gebaute Beispiele, dabonline.de:
Link

Weitere Informationen zum kreislaufgerechten Planen und Bauen -
Publikation Nachhaltigkeit Gestalten:
Link

Beispielhafte Bauten der Bayerischen Architektenkammer:
Link

Cradle to cradle inspierierte Bauten (Englisch):
Link

[Die Links wurden zuletzt geprüft am 26.07.2021]

 

 


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