01.01.2023

01/2023 Bücher-Tipps rund ums Thema Klimaschutz

Klimaschutz

Foto: Foto: Tom Hermans on Unsplash

Im Folgenden finden Sie einige Buchrezensionen aus der Rubrik "Architektur unterm Weihachtsbau(m)", erschienen im Bayernteil des DAB 12/2022

"Solidaritätsbotschaft zu Weihnachten:  Die Erde ist kein Objekt und weniger ist mehr"

Rezension von Prof. Clemens Richarz

Gerade scheitert auch die 27. Weltklimakonferenz in Ägypten. Warum ist es nicht möglich, durch eine gemeinsame globale und solidarische Anstrengung die Klimafrage zu lösen?
Jason Hickel geht dieser Frage nach, indem er die Ursachen beschreibt und benennt, warum die Erde bzw. deren Ressourcen ausgebeutet werden und der Mensch seine eigenen Lebensgrundlagen vernichtet. Er macht aber auch kurzfristig umsetzbare Vorschläge, wie insbesondere die Industrieländer ihrer Verantwortung gegenüber anderen Ländern gerecht werden können. Diese Verantwortung resultiert u.a. daraus, dass 20 % der Weltbevölkerung (die Industrieländer) für 80 % des Ressourcenverbrauches verantwortlich sind und das auch Jahrhunderte vorher schon waren.
Hickel sieht – wie übrigens andere Autoren, z. B. Noah Harari – die übergeordnete Ursache in einem Weltbild, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Wir alle kennen das Bibelzitat (1, Mose 1,28): „Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“
Die griechische Philosophie (Platon), die Aufklärung (Descartes, Kant) sowie kommunistische und kapitalistische Wirtschaftsmodelle haben dieses Weltbild, das auf der Trennung von Geist und Materie beruht, nahezu unauflösbar in unseren Köpfen verankert. Die Erde, oder anders ausgedrückt, das Ökosystem, wird als Objekt behandelt, das ausgebeutet werden kann – nicht zuletzt beruht unser Wohlstand auf dieser Ausbeutung. Grund für die fortschreitende Ausbeutung ist das weltweit praktizierte, auf quantitativem Wachstum basierende Wirtschaftssystem. Der Wunsch, immer mehr haben zu wollen, führt zu Verteilungskämpfen, Konkurrenz, Ausgrenzung und sozialer Ungleichheit. Im Moment verbrauchen wir mit unserer Lebensweise die Ressourcen von drei Erden im Jahr, weltweit gesehen beträgt der Verbrauch 1,75 Erden.
 „In einem wachstumorientierten System besteht das Ziel nicht darin, die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern sie nicht zu befriedigen. Das ist irrational und ökologisch verheerend“, schreibt Hickel. Weniger ist mehr – dieser Denkansatz ist Voraussetzung für Solidarität, Verteilungsgerechtigkeit, Empathie – letztendlich für Zufriedenheit. Wir müssen übergeordnet ein Weltbild entwickeln, das den Menschen als Teil eines Ökosystems begreift. Erste Ansätze dazu machen das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 29. April 2021 und Entwicklungen in Südamerika, die der Natur eigene elementare, auch einklagbare Rechte zubilligen.
Das berührt global, national und regional die Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Hickel meint hierzu: „Es ist ein grundsätzlich anderer Weg das Menschliche zu konzeptualisieren. Es ist eine ganz andere Art von Ontologie – eine Ontologie des Inter-Being, der wechselseitigen Verbundenheit allen Seins“.
Trotzdem können auch wir etwas tun, ohne dass Milliardensummen sinnlos in Technologien investiert werden, die nur das Ziel haben, den gewohnten Status quo irgendwie aufrecht zu erhalten: „Saubere Energie mag eine Hilfe sein, wenn es um die Emissionen geht; aber sie trägt nichts dazu bei Entwaldung, Überfischung. Bodenverarmung und Artensterben rückgängig zu machen“, so Hickel.
Die große Qualität des Buches besteht darin, dass Hickel aus der Theorie Praxis generiert und eine To-do-Liste vorlegt:

  • soziale Ungleichheiten abbauen (40 % erhalten 95 % des weltweiten Einkommens)
  • Öffentliche Investitionen stärken (Fürsorge statt Darwinismus)
  • Sharing Konzepte stärken („ein Rasenmäher für 20 Haushalte“)
  • Vergeudung von Lebensmitteln beenden („50% aller auf der Erde produzierten Lebensmittel werden weggeworfen“)
  • Abfall reduzieren („150 Mio. Computer werden jedes Jahr in Afrika ausgemustert“)
  • Die Mobilität neu denken (weniger, leichter, langsamer, öffentlicher fahren)
  • Den Fleischkonsum reduzieren („Indien 4 kg/Jahr, USA 120 kg/Jahr“. „Es ist das ressourcenineffizienteste Lebensmittel auf dem Planeten, bezogen auf die pro Kalorie oder Nährstoff erforderliche Fläche und Energie“)
  • Plastik reduzieren („Afrika 16 kg/Kopf*Jahr, Europa 130 kg/Kopf*-Jahr“)
  • Materialverbrauch reduzieren (Entwicklungsländer 2 t/Kopf*-Jahr, Europa 28 t/Kopf*-Jahr)


Die Quintessenz ist einfach und Hickel formuliert sie so: „Die meisten Länder des globalen Südens werden ihren Ressourcenverbrauch erhöhen müssen, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, während die einkommensstarken Länder ihren Ressourcenverbrauch dramatisch werden reduzieren müssen, um wieder auf ein nachhaltiges Niveau zurückzukommen.“ Wäre das nicht die solidarische Botschaft zu Weihnachten?

Jason Hickel:
Weniger ist mehr – Warum der Kapitalismus den Planeten zerstört und wir ohne Wachstum glücklicher sind
oekom Verlag: 2022, 352 Seiten
ISBN: 978-3-96238-284-1, € 24,00

 

"Ein gewaltiger Sprung und fünf außerordentliche Kehrtwenden"

Rezension von Maria Ramisch

 

Vor einem halben Jahrhundert appellierte der vom Club of Rome herausgegebene Bericht "Die Grenzen des Wachstums" an die ganze Welt, insbesondere aber an die Industriegesellschaften, ihre Wirtschaftsweise umzustellen: Die bloße Nutzung der Natur zur Befriedigung immer weiter wachsender Bedürfnisse könne so nicht weitergehen. Der im Herbst publizierte neue Bericht an den Club of Rome: "Earth for All: Ein Survivalguide für unseren Planeten" spielt nun 50 Jahre danach erneut mögliche Entwicklungsszenarien durch. Sie werden vor dem Hintergrund des "Anthropozäns" entwickelt, für das bekanntlich die Einsicht prägend ist, dass wir in einem Zeitalter leben, in dem anthropogene Veränderungen das Fundament gefährden, auf dem wir aufbauen und mit dem wir leben.

Die "Zivilisation" befinde sich an einem "Scheideweg" und wir vor einem planetarischen Notstand, heißt es in der Einleitung: „Earth for all“ möchte zeigen, dass ein Weg in eine positive Zukunft der Menschheit in diesem Jahrhundert möglich ist. Allerdings nicht, wenn wir so weitermachen wie bisher, sondern wenn sich alle zusammentun und ihre Verhaltens- und Wirtschaftsweise so verändern, dass die planetaren Grenzen respektiert werden.

In Zentrum stehen zwei Zukunftsszenarien. "Too Little Too Late" heißt das erste: Es geht davon aus, dass der bisherige Kurs weitgehend beibehalten wird, was – trotz einzelner Teilerfolge – in einen katastrophalen Ausgang für Mensch und Planet münden werde. "Giant Leap" ist der Begriff für das zweite Szenario – mit positiverer Prognose. Mit fünf außerordentlichen und einander bedingenden Kehrtwenden in den Bereichen Armut, Ungleichheit, Ermächtigung, Ernährung und Landwirtschaft soll es möglich werden, den neuen Weg einzuschlagen. Prägend dabei ist die Einsicht, dass der Klimawandel menschengemacht ist und nur wenige von dem System dahinter profitieren, während das Gros der Menschheit und der Planet leiden. Ergo kann nur mit einer gleichberechtigten finanziellen und politischen "Agency" den Herausforderungen des Anthropozäns begegnet werden. Nicht dem Wachstum werden Grenzen gesetzt, sondern es werden neue Wachstumsziele zugunsten von Menschen und Planet anvisiert – eben eine Erde für alle! Wer sucht, mag Schwachstellen und offene Fragen in dieser systemdynamischen Analyse finden. Doch nicht nur aufgrund der breitflächigen Resonanz des Berichts an den Club of Rome lohnt die Lektüre. Klar definierte, bekannte und realisierbare Handlungsfelder schließen eine argumentative Ausfluchtmöglichkeit in vermeintliche Handlungsohnmacht aus. Welcher Weg eingeschlagen wird, ist eine aktive Entscheidung.

Die Realitätsnähe und Plausibilität der anhand fiktiver Lebensläufe veranschaulichten Szenarien vermitteln das beinahe schmerzhafte Gefühl, an just dieser Weggabelung zu stehen. Einen "Giant Leap" werden wir jedenfalls vollziehen müssen – und zwar für die nächste Generation. Diese kann dann, wie das 2020 geborene, aus der chinesischen Stadt Changsha stammende Kind Shu, dessen  erdachte Vita im Buch geschildert wird, am Ende des Lebens auf Klar- statt auf Schmutzwasser blicken und vielleicht sogar wieder Flussdelfine sehen.

Club of Rome (Hg.) Earth for All
Ein Survivalguide für unseren Planeten. Der neue Bericht an den Club of Rome, 50 Jahre nach »Die Grenzen des Wachstums«
Oecon Verlag: 2022, 256 Seiten
ISBN: 978-3-96238-387-9, € 25,00

"Klimaschutz, klar und quadratisch"

Rezension von Kathrin Valvoda

Schon das vorangegangene Buch "kleine Gase – große Wirkung" der beiden jungen Autoren David Nelles und Christian Serrer hat erfrischend aufbereitetes Wissen rund um den Klimawandel in einem handlichen, quadratischen Format bereitgestellt. Darin ging es um die Ursachen des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Gesundheit. Das Buch sollte die Fakten zur Klimaveränderung auf den Tisch legen und einen Aufruf zum Handeln leisten. Allerdings ist auch bei gutem Kenntnisstand die Hemmschwelle, Klimaschutz zu betreiben, aufgrund der Vielfalt möglicher Maßnahmen, deren Komplexität und manchmal auch deren Widersprüchlichkeit groß.

Das dieses Jahr erschienene Nachfolger-Quadrat "Machste dreckig – Machste sauber. Die Klimalösung" schafft nun Klarheit. Informative Texte und anschauliche Grafiken zu Maßnahmen des Klimaschutzes ermöglichen es, sich die Zusammenhänge und das Hintergrundwissen auf ansprechende und übersichtliche Art und Weise anzueignen. Dabei werden alle relevanten Sektoren behandelt, von Energie über Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Industrie, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bis zur CO2-Entfernung. Zudem gibt es Interessantes neu zu entdecken, wie z. B. die Frage, welche Rolle "Nudges" (Deutsch: Stupser) bei Verhaltensänderungen spielen? Oder auch: Welche Aufgabe übernimmt eine "beschleunigte Verwitterung"? Es sind Beschreibungen großer und kleiner Maßnahmen, die im Handlungsrahmen von Politik, Gesellschaft aber auch in der Hand jedes Einzelnen liegen.

Warum wir den Fakten und Informationen im Buch vertrauen können? Weil 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Buchprojekt aktiv unterstützt haben, darunter Prof. Dr. Harald Lesch, Dr. Eckart von Hirschhausen, Prof. Dr. Claudia Kemfert und Dipl.-Meteorologe Sven Plöger. Damit ist das neue Klima-Quadrat so lesbar gestaltet, dass sich wirklich niemand mehr hinter Unwissenheit oder Orientierungslosigkeit bei Klimaschutz-Maßnahmen verstecken sollte, sondern die Vorschläge der Klimalösung im jeweiligen Handlungsbereich einfach umsetzt. Eben ganz nach dem Motto: Machste dreckig – machste sauber.

David Nelles und Christian Serrer
Machste dreckig – Machste sauber: Die Klimalösung
KlimaWandel: 11/2021, 200 Seiten,
ISBN: 978-3-9819650-1-8, €10,00

"So wird‘s grüner"

Rezension von Petra Seidl

Seit vielen Jahren unterstützt der Landschaftsarchitekt Wolfgang Heidenreich die Bayerische Architektenkammer engagiert in der baukulturellen Bildung, seit 2021 übernimmt er als freiberuflich tätiger Berater die BEN-Beratungen zu Fragen des urbanen Grüns und der Gebäudebegrünung in Bayern. Zudem ist er Fachreferent für Klimaanpassungsmaßnahmen mit Schwerpunkt Gebäudebegrünung in den Vereinen Green City und Urbanes Wohnen. Jetzt können wir ihn zudem als Autor kennenlernen: Gemeinsam mit Antje Krause hat er den Praxisratgeber "Begrünen was geht" verfasst. In dem liebevoll gestalteten Buch wird das Ökosystem "Grün" facettenreich beschrieben, sei es als Ausgleich vor der Haustür, als Feinstaubfilter, als Schutzhülle für das Bauwerk, als Dämmung im Winter oder als Schallschutzmaßnahme, egal ob es sich um die Erweiterung von schon bestehenden oder neu angelegten Maßnahmen handelt. Es finden sich zudem kleine und große kreative Upcycling- und Pflanzideen für Geländer und Zäune, Müllboxen, andere Garten-Häuschen sowie weitere "graue Ecken". Beispielhaft und hilfreich wird in aller Ausführlichkeit erklärt, wie und mit welchen Pflanzen die jeweiligen Projekte umgesetzt werden können. Das gebündelte Fachwissen zeigt sich dann in der Diskussion von Fassadenbegrünungen: Im "Feature" wird auf die Kletterstrategien von Selbstklimmern, Vorurteile und echte Gefahren eingegangen – so wird der negative Phototropismus als eine Gefahrenquelle genannt, bei denen Pflanzen in dunkle Spalten wachsen, besonders bei hinterlüfteten Fassaden, um sich zu verankern. Zahlen, Fakten und Checklisten vermitteln, es fehlt jedoch richtigerweise auch nicht der dezente Hinweis, wann ein Fachmann oder eine Expertin zu Rate zu ziehen ist. Und ganz konkret wird es am Ende mit einer Bauanleitung, mit der die Autoren aufzeigen, wie eine Garage extensiv begrünt werden kann, inklusive Tipps und Bezugsquellen für die Umsetzung einer kleinen Flachdach- oder Schrägdachbegrünung. Jetzt müssen wir nur noch loslegen!

Wolfgang Heidenreich, Antje Krause
Begrünen was geht. Kleine und große Pflanzideen für Wände, Zäune, Dächer und graue Ecken. #machsnachhaltig
Verlag Eugen Ulmer: 2022, 128 Seiten
ISBN 978-3-8186-1225-2, € 14,00

Und wenn es kein Buch sein soll, hier noch ein weiterer Tipp:

"Verehrte Kolleginnen und Kollegen," schrieb Reinhard Riemerschmid im Juni-DAB des Jahres 1977, "wir Architekten leben im allgemeinen Allgemeinen davon, daß wir eine gut geübte Vorstellungsgabe besitzen. Das ist der stabilste Teil unseres Kapitals. Der andere ist Arbeitskraft. Diese bleibt aber nur dem erhalten, der das Glück hat, gesund zu bleiben. Stellen Sie sich nun vor, Sie geraten – unverschuldet oder durch Versagen – in Not. Alles Angesparte, was ohnehin in den vergangenen Jahren an Kaufkraft verloren hat, schmilzt dahin."
Gottlob sind Kolleginnen und Kollegen in Not die Minderheit unserer Mitglieder. Doch es gibt sie. Für den "Fürsorgeausschuss der Bayerischen Architektenkammer" formulierte Reinhard Riemerschmid damals die heute noch gültige Aufgabe des Ernst Maria Lang Fürsorgewerks der Bayerischen Architektenkammer: "die Unterstützung von Kammermitgliedern und deren Familienangehörigen in besonderen Notlagen (insbesondere durch Alter, Krankheit, Unfall, Tod bedingt) zu ermöglichen".
Seither und auch heute wird es "durch Spenden und/oder freiwillige Umlagen" finanziert. Daher freuen wir uns, wenn Sie nicht nur Bücher kaufen und verschenken, sondern sich auch durch eine Spende an das Ernst Maria Lang Fürsorgewerk ihren Kolleginnen und Kolleginnen solidarisch zeigen.

Vielen Dank für Ihre Spenden an das Ernst Maria Lang Fürsorgewerk:
IBAN DE70 7002 0270 0015 1812 24
BIC HYVEDEMMXXX
Spendenquittungen werden gern ausgestellt.

Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.