Heilpädagogische Tagesstätte – inklusive Architektur für Kinder

  • Zeitraum: Juli 2024
  • Beratungsschwerpunkt:
    • Planen & Bauen
Der Neubau der Heilpädagogische Tagesstätte ist in vielerlei Hinsicht vorbildlich und entspricht ökologischen, klimarelevanten und sozialen Nachhaltigkeitskriterien.
Ein einfacher, dreigeschossiger länglicher Holzkubus mit Metallwalmdach inmitten einer Reihenhaussiedlung. Der Garten ist liebevoll mit unterschiedlichen Spielstationen gestaltet.

Der Neubau der Heilpädagogische Tagesstätte ist in vielerlei Hinsicht vorbildlich und entspricht ökologischen, klimarelevanten und sozialen Nachhaltigkeitskriterien.

Foto: Adrienne-Sophie Hoffer

Die Heilpädagogische Tagesstätte in Haar von kammerl + kollegen Architekten aus Pfaffing ist ein nachhaltiges Haus für Kinder und Jugendliche, das Inklusion und ein offenes Miteinander verschiedener Altersgruppen ermöglicht. Das Gebäude erfüllt in beeindruckender Weise eine Vielzahl ökologischer, klimarelevanter und sozialer Nachhaltigkeitskriterien.

Das dreigeschossige Multifunktionsgebäude auf dem Gelände der Evangelischen Jesuskirche bietet eine Mischnutzung aus Kindertagesstätte, betreutem Wohnen, Mitarbeiterwohnen und Arbeiten. Damit wird das bereits bestehende Angebot einer Kindertagesstätte auf dem Kirchengelände ergänzt. Der Neubau beherbergt im Erdgeschoss und in Teilen des Obergeschosses die Kindertagesstätte mit zwei Kleingruppen und einer Hortgruppe sowie Büroräume für das Personal. Darüber hinaus sind im Ober- und Dachgeschoss eine integrative Wohngruppe und drei Wohneinheiten für Mitarbeiter untergebracht.

 

Die Gruppen- und Bewegungsräume bieten maximale Flexibilität in der Nutzung.
Ein großer, leerer Raum mit einer raumhohen Fensterfront. Einige Matten und Sitzgelegenheiten sind an den Wänden verteilt.

Die Gruppen- und Bewegungsräume bieten maximale Flexibilität in der Nutzung.

Foto: Adrienne-Sophie Hoffer
Alle Türenöffnungen sind extra breit und stellen natürlich ohne Schwelle auch für Rollstuhlfahrende keine Barriere dar.
Blick in einen Gang mit mehreren geöffneten Türen. Der Bodenbelag geht nahtlos vom Gang in die Gruppenräume über.

Alle Türenöffnungen sind extra breit und stellen natürlich ohne Schwelle auch für Rollstuhlfahrende keine Barriere dar.

Foto: Adrienne-Sophie Hoffer
Großformatige Schiebeöffnungen mit schwellenlosen Übergängen verbinden die Innenräume der mit der großzügigen Terrasse.
Blick aus einem raumhohen Fenster mit geöffneter Schiebetür auf eine große Dachterrasse.

Großformatige Schiebeöffnungen mit schwellenlosen Übergängen verbinden die Innenräume der mit der großzügigen Terrasse.

Foto: Adrienne-Sophie Hoffer

Kooperativ, inklusiv und barrierefrei

Die verschiedenen Angebote der Diakonie München und Oberbayern richten sich an Kinder und Jugendliche, die heilpädagogisch oder (therapeutisch) integrativ betreut und gefördert werden. In allen Gruppen besteht die Möglichkeit, junge Menschen mit einer Körper- oder Sinnesbeeinträchtigung aufzunehmen, da das gesamte Haus barrierefrei und rollstuhlgerecht ausgestattet ist. In der heilpädagogischen Tagesstätte werden Kindergarten- und Hortkinder mit unterschiedlichem Förderbedarf individuell unterstützt. In der therapeutischen Wohngruppe mit inklusiven Plätzen werden zudem Kinder und Jugendliche rund um die Uhr betreut. Ein Projekt für junge Männer im Alter von 16 bis 21 Jahren, die dort lernen, sich ein eigenständiges und strukturiertes Leben aufzubauen, ergänzt das therapeutische Angebot.

Bei den Roh- und Baustoffen sowie bei der Energietechnik wurde in Punkto Nachhaltigkeit höchste Standards erreicht.
Das Holzgebäude ist in einen schönen, begrünten Garten mit Bäumen eingebettet.

Bei den Roh- und Baustoffen sowie bei der Energietechnik wurde in Punkto Nachhaltigkeit höchste Standards erreicht.

Foto: Adrienne-Sophie Hoffer
Die Außenspielflächen der Heilpädagogischen Tagesstätte stehen ganz im Zeichen der Inklusion.
Verschiedene Bodenbeläge kennzeichnen unterschiedliche Spielstationen. Ein auffälliges gelbes Segel bietet Schatten.

Die Außenspielflächen der Heilpädagogischen Tagesstätte stehen ganz im Zeichen der Inklusion.

Foto: Adrienne-Sophie Hoffer

Alle neuen und bestehenden Einrichtungen kooperieren miteinander und schaffen Synergien. Der Aspekt der Barrierefreiheit wurde durchgängig im Gebäude und auch in den Außenanlagen berücksichtigt, um allen Nutzerinnen und Nutzern eine uneingeschränkte Mobilität zu ermöglichen. Insbesondere die Spielflächen sind auf Inklusion ausgerichtet: Neben einer Schaukel mit speziellem Inklusionssitz wurden ein Trampolin für Kinder mit Rollstuhl sowie ein unterfahrbarer Matschtisch in das Gelände mit Rutschhügel, Kieswasserlauf, Sandspielbereich und geschwungenen Wegen für Roller- und Rutschautorennen integriert.

Nachhaltig, energieeffizient und klimafreundlich

Zwischen Heilpädagogischer Tagesstätte und Jesuskirche entstehen Aufenthaltsräume im Freien, die allen Nutzerinnen und Nutzern des Geländes zugutekommen.
Blick zwischen die Kirche aus rotem Mauerwerk und der Nord-Ostseite des Holzgebäudes.

Zwischen Heilpädagogischer Tagesstätte und Jesuskirche entstehen Aufenthaltsräume im Freien, die allen Nutzerinnen und Nutzern des Geländes zugutekommen.

Foto: Adrienne-Sophie Hoffer

Der schlichte, längliche Holzkubus wurde in das bestehende Ensemble aus Kirche, Pfarrhaus und Kindergarten eingefügt und beansprucht durch die kompakte Bauweise möglichst wenig Grundfläche. Konstruktiv ist der Neubau ein Stahlbeton-Holz-Hybrid. Das Untergeschoss, die Tiefgarage, das Treppenhaus und das Tragwerk des Erdgeschosses wurden in Stahlbetonbauweise ausgeführt, im Obergeschoss und Dachgeschoss bestehen die Wand- und Tragkonstruktionen aus Brettsperrholz, hauptsächlich in Fichte. Die Fassadenverkleidung wurde mit Holzfaserplatten und vertikalen Lärchenholzleisten ausgeführt. Dämmmaterialien sind aus Holzwolle und Zellulose. Im Innenausbau wurden weitgehend nachwachsende Rohstoffe und ökologisch zertifizierte Baustoffe verwendet. Die Gruppen-, Wohn- und Verwaltungsbereiche wurden mit ökologischen Oberflächen wie zertifizierten Linoleumböden, PEFC-zertifizierten HWL-Deckenplatten und ökologischen Anstrichen gestaltet. Energetisch erfüllt das Multifunktionsgebäude mit Photovoltaikanlage auf dem Dach und Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Gastherme (Spitzenlastkessel) die Anforderungen des KfW 55-Standards nach EnEV 2016. Dies unterstützt den ökologisch denkenden Ansatz der gesamthaften Gebäudeumsetzung.

Auszeichnung „KlimaKulturKompetenz“ und „Bayern barrierefrei“

Kammerpräsidentin Prof. AA Dipl. Lydia Haack und Frau Staatsministerin für Familie, Arbeit und Sozials, Ulrike Scharf, MdL
Kammerpräsidentin Prof. Lydia Haack und Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf

Kammerpräsidentin Prof. AA Dipl. Lydia Haack und Frau Staatsministerin für Familie, Arbeit und Sozials, Ulrike Scharf, MdL

Foto: Johannes Müller

Die Heilpädagogische Tagesstätte für Kinder und Jugendliche wurde im Rahmen der letztjährigen Architektouren 2023 mit dem Prädikat „KlimaKulturKompetenz“ in den Kategorien „Energieeffizienz“ und „Barrierefreiheit“ ausgezeichnet. Zudem wurde die Kindertagesstätte mit integrativen Wohngruppen mit dem Signet „Bayern barrierefrei“ geehrt.

„In unserer Gesellschaft müssen alle gleichberechtigt teilhaben! Die heilpädagogische Tagesstätte ist ein Ort ohne Barrieren. Kinder mit Autismus, einer psychischen Erkrankung oder körperlicher Beeinträchtigung erhalten die Unterstützung, die sie benötigen. Das Gebäude ist rollstuhlgerecht und barrierefrei. Die Schaukel im Garten hat einen Inklusionssitz, der Betreuungsschlüssel ist besonders hoch und der Bau nachhaltig – geheizt wird mit Wärmepumpe und Solarmodulen. Die Tagesstätte ist ein Vorreiter für inklusive und nachhaltige Architektur. Das Konzept leistet einen wichtigen Beitrag zu Teilhabe, Chancengleichheit und Klimaschutz!“,

freute sich Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf gemeinsam mit der Kammerpräsidentin Prof. Lydia Haack bei der Verleihung des Prädikats „KlimaKulturKompetenz“ und des Signets „Bayern barrierefrei“ im vergangenen Herbst.

Autorin: Bettina Sigmund

Planmaterial

Freiflächenplan
Freiflächenplan

Freiflächenplan

Foto: kammerl + kollegen Architekten
Grundrisse mit markieren Drehflächen für Rollstühle (Grün = 1,2 x 1,2 m, Rot = 1,5 x 1,5 m)
Die Grundrisse von Keller mit Tiefgarage, Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss.

Grundrisse mit markieren Drehflächen für Rollstühle (Grün = 1,2 x 1,2 m, Rot = 1,5 x 1,5 m)

Foto: kammerl + kollegen Architekten