Archäologie für alle – mit offenen Türen in die Vergangenheit

  • Zeitraum: Juni 2025
  • Beratungsschwerpunkt:
    • Planen & Bauen

Die Archäologische Staatssammlung München zeigt, wie barrierefreie Kulturvermittlung aussehen kann. Mit dem Signet „Bayern barrierefrei“ wird das Museum nicht nur ausgezeichnet, sondern auch zum Vorbild für andere Kulturinstitutionen in Bayern.

Eine Schülergruppe zieht am Eingang der Archäologischen Staatssammlung vorbei. Im Hintergrund sind die verkleideten Kuben aus Cortenstahl zu sehen.
Kinder in Bewegung vor dem modernen Gebäude mit rostbrauner Fassade. Im verglasten Eingang spiegelt sich das Grün des angrenzenden Englischen Gartens.

Eine Schülergruppe zieht am Eingang der Archäologischen Staatssammlung vorbei. Im Hintergrund sind die verkleideten Kuben aus Cortenstahl zu sehen.

Foto: © Archäologische Staatssammlung, Stefanie Friedrich

Die Archäologische Staatssammlung in München wurde zwischen 2016 und 2024 umfassend generalsaniert und erweitert. Das Architekturbüro Nieto-Sobejano Arquitectos (Madrid/ München) übernahm mit dem Staatlichen Bauamt München I die Gebäudesanierung, während ATELIER BRÜCKNER (Stuttgart) die Ausstellungsgestaltung verantworteten. Die Sanierung hatte zum Ziel, das denkmalgeschützte Gebäude aus den 1970er-Jahren in die Gegenwart zu überführen und dabei seine charakteristischen Merkmale zu bewahren. Die Ausstellung wurde konzeptionell neu ausgerichtet. Bei allen Maßnahmen wurde ein besonderes Augenmerk auf die Barrierefreiheit gelegt. Anfang 2025 wurde der Archäologische Staatssammlung nun das Signet „Bayern barrierefrei“ verliehen.

„Zeitreisen ohne Hindernisse – das ist in der Archäologischen Staatssammlung München keine Zukunftsvision, sondern gelebte Realität. Der Museumsneubau kombiniert moderne Wissensvermittlung mit Barrierefreiheit und macht unsere Vergangenheit lebendig“,

 

freute sich Wissenschaftsminister Markus Blume bei der Übergabe der Auszeichnung. 

 

Architektur mit Anspruch: Sanierung eines Museumsbaus aus den 1970er-Jahren

 

Der ursprüngliche Bau von 1976, entworfen von Helmut von Werz, Johann-Christoph Ottow, Erhard Bachmann und Michel Marx, ist geprägt durch eine markante Fassade aus Cortenstahl, die behutsam erneuert wurde. Der rostfarbene Stahl wurde bewusst als gestalterisches Element beibehalten. Die räumliche Erweiterung des Museum umfasst nun einen neuen, 600 m² großen unterirdischen Sonderausstellungsraum sowie einen darüberliegenden begrünten Außenbereich, der einer benachbarten Kindertagesstätte als Spielplatz dient. Der Eingangsbereich wurde neu gestaltet und durch einen zusätzlichen Gebäudekubus erweitert. Das Museum ist nun barrierefrei zugänglich und verfügt über moderne Einrichtungen wie ein Café mit Blick zum Englischen Garten, eine Rooftop Bar und einen Vortragsraum für Veranstaltungen. Die energetische Sanierung umfasste unter anderem die Erneuerung der Haustechnik, eine verbesserte Dämmung sowie den Einsatz energieeffizienter Beleuchtung und Klimatechnik, wodurch der Energieverbrauch des Gebäudes erheblich reduziert werden konnte.

Die „Hands on“-Linie lässt das Museum mit allen Sinnen erleben. Eine Puzzle-Station und eine Riech-Station laden zum Mitmachen ein.
„Mitmachstation mit Puzzleteilen eines Mosaikmusters zur Rekonstruktion eines historischen Bodenmosaiks.

Die „Hands on“-Linie lässt das Museum mit allen Sinnen erleben. Eine Puzzle-Station und eine Riech-Station laden zum Mitmachen ein.

Foto: © Martina Nötel, Stmas
Beide Stationen sind gekennzeichnet mit dem Logo einer weißen Hand auf einem blauen Kreis. Das signalisiert: Hands on!
Interaktive Duftstation mit der Aufschrift Riech mal!, darunter ein Klappdisplay mit der Geruchsangabe Myrrhe.

Beide Stationen sind gekennzeichnet mit dem Logo einer weißen Hand auf einem blauen Kreis. Das signalisiert: Hands on!

Foto: © Martina Nötel, Stmas

 

Erlebnisorientiert und inklusiv: Die neue Ausstellungskonzeption

ATELIER BRÜCKNER entwickelte ein innovatives Ausstellungskonzept, das die Struktur des Gebäudes aufgreift und inhaltlich mit der musealen Präsentation verzahnt. Die Dauerausstellung erstreckt sich über zwei Etagen mit insgesamt rund 1.200 m² barrierefrei zugänglicher Fläche und präsentiert etwa 15.000 ausgewählte Exponate aus allen Epochen der bayerischen Vor- und Frühgeschichte – von der Altsteinzeit bis in das frühe Mittelalter. Besonderes Augenmerk liegt auf der räumlichen Dramaturgie und der sinnlich erfahrbaren Vermittlung: Grabungssituationen werden beispielsweise durch begehbare Glasvitrinen im Boden simuliert, die den Besucher in archäologische Kontexte eintauchen lassen. Interaktive Medienstationen, großformatige Projektionen und multimediale Inhalte bieten zusätzliche Ebenen der Wissensvermittlung. Die thematische Gliederung der Ausstellung orientiert sich an kulturellen und technologischen Entwicklungslinien. Sie erlaubt individuelle thematische Vertiefungen, etwa zur Bestattungskultur, dem Siedlungswesen oder dem Alltagsleben vergangener Gesellschaften. Didaktische Formate wie Hörstationen, taktile Objekte und kindgerechte Module machen die Ausstellung für ein breites Publikum – vom Fachpublikum bis zur Schulklasse, vom Kind bis zum Erwachsenen – zugänglich. Die sogenannte „Hands on“-Linie, gekennzeichnet durch das Symbol einer weißen Hand auf blauem Hintergrund, lädt dazu ein, an Stationen Hand anzulegen – hier kann man tüfteln, puzzeln, riechen etc. Die Dauerausstellung wird durch einen neuen unterirdischen Sonderausstellungsraum ergänzt, der wechselnden Präsentationen internationaler Leihgaben und aktuellen Forschungsthemen Raum gibt. Dadurch bleibt das Museum dynamisch und offen für zeitgenössische Diskurse innerhalb der Archäologie. Die erste Sonderausstellung war eine inklusive Schau zum Thema Eiszeitkunst.

In den Boden eingelassene Vitrinen sind gefüllt mit von Archäologen geborgenen Schätzen.
Dunkel gestalteter Ausstellungsraum mit beleuchteten Boden-Vitrinen, in denen archäologische Funde wie Keramikscherben, Knochen und Werkzeuge präsentiert werden.

In den Boden eingelassene Vitrinen sind gefüllt mit von Archäologen geborgenen Schätzen.

Foto: © Archäologische Staatssammlung, Stefanie Friedrich

Barrierefreiheit weit über Standard: Ein Museum setzt Maßstäbe

Ein zentrales Anliegen der Sanierung war es, die Archäologische Staatssammlung für alle Nutzerinnen und Nutzer uneingeschränkt zugänglich zu machen. In diesem Zuge wurde das gesamte Gebäude barrierefrei erschlossen: Der Zugang erfolgt ebenerdig mit automatischem Türöffner, ein neu installierter Aufzug verbindet sämtliche Ausstellungsebenen sowie Nebenbereiche wie das Café und den Veranstaltungsraum. Breite, schwellenlose Durchgänge und taktile Leitsysteme erleichtern die Orientierung für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder Sehbehinderungen. Zudem wurden akustisch optimierte Bereiche und visuelle Informationssysteme integriert, um den Besuch auch für Menschen mit Hörbehinderung angenehm und informativ zu gestalten. Je nach Ausstellung ermöglichen Tastmodelle und taktile Exponate ein haptisches Erleben archäologischer Objekte. Die Inszenierung der bereits erwähnten Grabungssituationen unter begehbaren Bodenverglasungen beispielsweise eröffnet eine erfahrungsorientierte Perspektive, die auch für Besucher mit kognitiven Einschränkungen oder Lernschwierigkeiten besonders zugänglich ist. Ergänzt wird das Angebot durch Audioguides in einfacher Sprache sowie mit Gebärdensprachoptionen. Der barrierefreie Sonderausstellungsraum im Untergeschoss, der gleichwertige Zugang zum Café sowie ein barrierefreier Veranstaltungsbereich verdeutlichen den ganzheitlichen Anspruch des Hauses. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfolgt nicht nur nach den aktuellen gesetzlichen Standards, sondern orientiert sich am Prinzip des „Design für alle“ – mit dem Ziel, ein möglichst gleichwertiges Besuchserlebnis für alle Menschen zu ermöglichen.

Der Museumsplan sowie weiterführende Informationen werden für blinde Menschen sowohl in Brailleschrift als auch in taktil lesbarer Profilschrift angeboten.
Taktile Orientierungs- und Übersichtsstation mit tastbarem Lageplan eines Ausstellungsraums.

Der Museumsplan sowie weiterführende Informationen werden für blinde Menschen sowohl in Brailleschrift als auch in taktil lesbarer Profilschrift angeboten.

Foto: ©Axel König, Stmwk
Vergrößerte Tastmodelle machen einige Exponate erlebbar.
Tastmodell eines vergrößerten historischen Kunstobjekts eines Mammuts. Beschriftung in erhabener Schrift und Braille.

Vergrößerte Tastmodelle machen einige Exponate erlebbar.

Foto: ©Axel König, Stmwk

Signet „Bayern barrierefrei“: ein Zeichen für gelebte Teilhabe

Im Februar 2025 wurde die Archäologische Staatssammlung München mit dem Signet „Bayern barrierefrei“ ausgezeichnet. Das barrierefreie Angebot geht weit über die normativ geforderten Maßnahmen hinaus und setzt neue Maßstäbe für Inklusion im musealen Kontext. Neben den grundlegenden baulichen Anpassungen wie einem Aufzug, schwellenlosen Zugängen und taktilen Leitsystemen wurden auch zahlreiche überobligatorische Maßnahmen realisiert, die das Museumserlebnis für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen deutlich verbessern. Durch die bewusste Kombination verschiedener Leitsysteme – taktil, visuell und auditiv – wird ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Orientierungssicherheit für alle Besuchergruppen ermöglicht. Die Archäologische Staatssammlung demonstriert damit beispielhaft, wie kulturelle Teilhabe aktiv gefördert und Barrierefreiheit als integraler Bestandteil eines modernen Museumsverständnisses gedacht werden kann.

Sozialministerin Ulrike Scharf mit dem Direktor der Sammlung Prof. Dr. Rupert Gebhard (Mitte) und dem Wissenschafts- und Kunstminister Markus Blume bei der Übergabe des Signets „Bayern barrierefrei!“.
Die drei Personen halten gemeinsam das Schild ‚Bayern barrierefrei‘ mit Symbolen für Barrierefreiheit und dem bayerischen Staatswappen.

Sozialministerin Ulrike Scharf mit dem Direktor der Sammlung Prof. Dr. Rupert Gebhard (Mitte) und dem Wissenschafts- und Kunstminister Markus Blume bei der Übergabe des Signets „Bayern barrierefrei!“.

Foto: ©Axel König, Stmwk
Im Anschluss testeten alle Beteiligten direkt eine der Taststationen.
Die Ministerin hälts sich an der Taststation die Replik einer antiken Metallmaske vor das Gesicht, die beiden Herren freuen sich mit ihr.

Im Anschluss testeten alle Beteiligten direkt eine der Taststationen.

Foto: ©Axel König, Stmwk

Sozialministerin Ulrike Scharf betonte bei der Verleihung:

„Kulturelle Teilhabe ist einer der Grundpfeiler einer inklusiven Gesellschaft. Es muss allen Menschen unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Lebensumständen möglich sein, Kunst und Kultur selbst zu erleben. Durch den Abbau von Barrieren schaffen wir Räume der Begegnung und des Austauschs, die unseren sozialen Zusammenhalt stärken. Wir öffnen die Türen ins kulturelle Leben. Die Archäologische Staatssammlung ist jetzt offiziell Trägerin des Signets ,Bayern barrierefrei‘ – herzlichen Glückwunsch!“

 

Mehr über die Sammlung Archäologische Staatssammlung


Autorin: Bettina Sigmund