Künstliche Intelligenz (KI) und Leichte Sprache
Leichte Sprache und Unterstützte Kommunikation
In unserer zunehmend digitalisierten Welt wird der Zugang zu Informationen immer bedeutender. Doch nicht alle Menschen können Texte in Alltagssprache verstehen. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten ist die Leichte Sprache ein wichtiges Zusatzangebot für ihre gesellschaftliche sowie digitale Teilhabe. Eine KI, die Texte in Leichte Sprache übersetzt, hat das Potenzial, Informationen für diese Zielgruppe und die Nutzergruppen der Leichten Sprache in einem bisher unerreichten Umfang zugänglich zu machen. Allerdings gibt es bei diesem Prozess wichtige Aspekte zu berücksichtigen, insbesondere wenn es darum geht, die Qualität und Verständlichkeit der von KI-generierten Texte sicherzustellen. Textprüfungen durch Menschen mit Lernschwierigkeiten spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Welche Herausforderungen gilt es auf dem Weg zu einer zufriedenstellenden KI für Leichte Sprache zu bestreiten? Um dies herauszufinden, haben wir Übersetzer und Übersetzerinnen und Prüfer und Prüferinnen für Leichte Sprache nach ihrer Meinung gefragt. Ihre Einschätzungen basieren auf den Erfahrungen mit den bisher verfügbaren KI-Systemen.
„Eine KI kann auch schwierige Texte in Leichte Sprache übersetzen. Aber sie ist noch nicht so gut, wie die Menschen, die die Texte von der schwierigen in die Leichte Sprache übersetzen. Die KI muss noch sehr viel dazu lernen. Wir hatten mal etwas ausprobiert, bei der Übersetzerinnenschulung für Leichte Sprache. Da hat die KI echt nicht gut übersetzt. Ich dachte mir, wenn die auch noch Texte auf Verständlichkeit prüfen soll. Das wird nicht gut.“
Zitat einer Prüferin für Leichte Sprache
1. Sicherstellung der Übersetzungsqualität und inhaltliche Richtigkeit von KI-generierten Texten in Leichter Sprache
„Ein Schwachpunkt der Texte ist: Die Übersetzungen enthalten immer wieder inhaltliche Fehler. Die sprachliche Vereinfachung ohne entsprechende Einordnung in den Gesamttext führt häufig zu Übersetzungen, die inhaltlich falsch sind. Das fällt oftmals nicht direkt auf, weil die KI-übersetzten Sätze stimmig wirken und auch sprachlich korrekt aufgebaut sind. Jemand, der sich nicht intensiv mit dem Vorlagentext beschäftigt hat, bemerkt das vielleicht gar nicht.“
Zitat einer Übersetzerin für Leichte Sprache
Ein weiteres Problem ist, dass Bezüge innerhalb des Textes oft nicht korrekt hergestellt werden. Dies führt zu inhaltlichen Fehlern und kann die Struktur des Textes erheblich beeinträchtigen. Solche Texte setzen häufig falsche Schwerpunkte, da die KI den übergeordneten Kontext nicht immer vollständig erfasst. Darüber hinaus ist die KI oft nicht in der Lage, den spezifischen Kontext, in dem der Text verwendet werden soll, ausreichend zu antizipieren. Dies kann dazu führen, dass notwendiges Vorwissen oder relevante Bezüge nicht angemessen berücksichtigt werden. Eine nachträgliche Überprüfung und Korrektur des Inhalts ist daher unverzichtbar.
„Je nach Textsorte ist die Überprüfung und Korrektur des Inhalts von KI-generierten Texten in Leichter Sprache aufwändiger als eine vollständige Neuübersetzung.“
Zitat einer Übersetzerin für Leichte Sprache
Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass KI-Systeme die Regeln der Leichten Sprache bisher nicht in Gänze umsetzen können und Schwierigkeiten haben, notwendige Priorisierungen vorzunehmen, wenn bestimmte Regeln nicht angewendet werden können.
Um die Qualität und inhaltliche Richtigkeit von KI-Übersetzungen in Leichte Sprache sicherzustellen, ist die Überprüfung durch zertifizierte Übersetzer und Übersetzerinnen für Leichte Sprache zum jetzigen Zeitpunkt notwendig.
2. Sicherstellung der Verständlichkeit durch Textprüfungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten: Die Bedeutung von Prüferinnen der Leichten Sprache
Textprüfungen durch Menschen mit Lernschwierigkeiten sind entscheidend, um sicherzustellen, dass ein Text tatsächlich verständlich ist. Obwohl KI-Systeme in der Lage sind, Texte in Leichte Sprache zu übersetzen, hängt die tatsächliche Verständlichkeit von vielen Faktoren ab, die über reine Sprachregeln hinausgehen. Durch ihr wertvolles Feedback und ihre Erfahrungen tragen Menschen mit Lernschwierigkeiten dazu bei, dass Texte tatsächlich ihren Bedürfnissen entsprechen.
„Das Prüfen der Leichten Sprache sollte man auch den Menschen mit Lernschwierigkeiten überlassen. Weil nur wir können sagen: Ob wir etwas verstehen, oder nicht.“
Zitat einer Prüferin für Leichte Sprache
Darüber hinaus verliert der inklusionspolitische Effekt der Leichten Sprache an Bedeutung, wenn KI-Systeme eingesetzt werden, die keine Textprüfung vorsehen. Menschen mit Lernschwierigkeiten spielen bei der Produktion von Texten in Leichter Sprache eine zentrale Rolle. Diese Rolle durch KI-Systeme zu ersetzen oder zu reduzieren, ist aus ethischer Sicht, im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, äußerst problematisch. Es ist entscheidend, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht nur als Tester und Testerinnen für KI-Systeme dienen, sondern aktiv in den gesamten Prozess der Texterstellung einbezogen werden.
„Durch das Prüfen von Texten in Leichter Sprache können wir Menschen mit Lernschwierigkeiten so viel lernen. Ich spreche aus Erfahrung. Ich habe durch das Prüfen von Texte in Leichter Sprache so viel dazu gelernt. Die Leichte Sprache hat mich reicher an Erfahrung gemacht. Ich habe dadurch so viel Wissen bekommen. Und die Leichte Sprache bildet. Das sage ich immer wieder. Deswegen ist das Prüfen so wichtig für uns Menschen mit Lernschwierigkeiten. Die KI sollte uns das Prüfen nicht wegnehmen.“
Zitat einer Prüferin für Leichte Sprache
Textprüfungen durch Menschen mit Lernschwierigkeiten sind unerlässlich, um die Verständlichkeit von Leichter Sprache zu gewährleisten. Darüber hinaus wirft die Marginalisierung von Menschen mit Lernschwierigkeiten bei der Erstellung von Texten in Leichter Sprache aus ethischer Sicht ernsthafte Bedenken auf. Werden Menschen mit Lernschwierigkeiten bei der KI-gestützten Erstellung von Texten in Leichter Sprache nicht einbezogen, entzieht man ihnen damit eine bedeutsame und sinnstiftende Tätigkeit.
3. Berücksichtigung von Biases und Zielgruppenorientierung
„Die Angemessenheit der Sprache und des Inhalts ist durch die Erstellung von Texten mithilfe von KI-Systemen ist nicht gegeben. Es wird derzeit nicht berücksichtigt, wie der Text als Ganzes und die Sprache darin bei der Zielgruppe ankommt. Das kann die KI zum derzeitigen Stand nicht leisten.“
Zitat einer Übersetzerin für Leichte Sprache
Übersetzer und Übersetzerinnen für Leichte Sprache, die in einem inklusiven Team arbeiten und alltäglich Berührungspunkte mit der Lebenswelt der Zielgruppe der Leichten Sprache haben, können solche Aspekte in ihrer Arbeit einfließen lassen.
Ein weiteres Problem liegt in der Möglichkeit, dass durch KI-Systeme bestehende Vorurteile (Biases) reproduziert und verstärkt werden. Künstliche Intelligenz lernt aus Daten, die in der Vergangenheit von Menschen mit unterschiedlichen Werten, Normen und Weltanschauungen erstellt wurden. Diese Daten sind nicht neutral, und daher kann auch eine KI keine völlig neutrale Darstellung von Inhalten gewährleisten. Deshalb geht man davon aus, dass KI-Systeme unbewusste Vorurteile (Biases) reproduzieren, die zu diskriminierenden Ergebnissen und Darstellungen führen können. Insbesondere im Hinblick auf die Zielgruppe der Leichten Sprache muss dies kritisch geprüft und gegebenenfalls korrigiert werden, um sicherzustellen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten durch den Einsatz von KI nicht ungewollt ausgeschlossen, benachteiligt oder in unangemessener Form adressiert werden.
Fazit
Die Verbindung von Künstlicher Intelligenz und Leichter Sprache bietet viele Vorteile. Sie ermöglicht es, Barrieren im Zugang zu Informationen abzubauen und trägt zu einer inklusiveren Gesellschaft bei. Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Kenntnissen können dadurch selbstständiger agieren und aktiver am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Die Integration von KI in den Prozess der Erstellung von Leichter Sprache steckt noch in den Anfängen. Eine Kombination von maschineller Verarbeitung und menschlicher Expertise zeichnet sich jedoch bereits jetzt als sinnvolle Form der Erstellung KI-generierter Texte in Leichter Sprache ab.
Während die KI den Text automatisch in Leichte Sprache übersetzt, können Übersetzer und Übersetzerinnen den Text auf inhaltliche Richtigkeit und Angemessenheit der Sprache überprüfen. Menschen mit Lernschwierigkeiten können den Text anschließend auf Verständlichkeit prüfen. Diese Rückmeldungen können wiederum dazu genutzt werden, die KI weiter zu verbessern und besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abzustimmen.
Die Zusammenarbeit zwischen KI und Menschen ermöglicht es, Texte zu entwickeln, die nicht nur den formalen Kriterien der Leichten Sprache entsprechen, sondern auch tatsächlich von der Zielgruppe verstanden werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Leichte Sprache ihrem Zweck gerecht wird: Informationen für alle zugänglich zu machen.
„Weil es stimmt. Ich möchte die KI nicht ausschließen. Wenn alle, die damit beteiligt sind gut zusammenarbeiten, kann die Leichte Sprache und KI natürlich auch gelingen.“
Zitat einer Prüferin für Leichte Sprache