Barrierefreiheits-Tests: Vor- und Nachteile verschiedener Methoden
Digitale Barrierefreiheit
Barrierefreiheit-Tests sind wichtig, um sicherzustellen, dass Webseiten für alle zugänglich und nutzbar sind. Verschiedene Testmethoden helfen dabei, Webseiten auf ihre Barrierefreiheit hin zu überprüfen und zu verbessern – jede Methode bringt jedoch unterschiedliche Stärken und Schwächen mit sich. Dieser Artikel stellt die wichtigsten Testansätze vor und beleuchtet ihre jeweiligen Vor- und Nachteile.
Automatisiertes Testen mit Tools
Automatisierte Tests nutzen spezialisierte Software-Tools, um digitale Barrierefreiheit zu analysieren und bestimmte Teilbereiche der Standards zu prüfen. Sie decken häufig technische Anforderungen ab, die in Richtlinien und Normen wie der EN 301 549 oder wie den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) festgelegt sind.
Merkmale:
- Automatisierte Tools überprüfen Seiten und Elemente auf Übereinstimmung mit bestimmten Barrierefreiheitskriterien.
- Sie identifizieren typische Probleme, die durch Programme erkannt werden können. Beispiele dafür sind fehlende Alternativtexte, unzureichende Farbkontraste, oder fehlende HTML-Struktur-Elemente wie ARIA-Attribute.
- Es gibt kostenlose und kostenpflichtige Tools (z.B. Axe, WAVE, Eyeable), die automatisierte Prüfschritte durchführen können.
Vorteile:
- Effizienz: Automatisierte Tests können große Mengen an Daten/Seiten in kürzester Zeit analysieren und sind somit besonders effizient.
- Kosteneffektiv: Da sie schnell sind, reduzieren sie den zeitlichen und finanziellen Aufwand.
- Konsistenz: Automatisierte Tools arbeiten einheitlich und bieten zuverlässige Ergebnisse für dieselben Testkriterien.
Nachteile:
- Begrenzte Abdeckung: automatisierte Tools können nur einen Teil Barrierefreiheitsanforderungen testen, da viele Aspekte (wie etwa Verständlichkeit der Inhalte) manuelles Testen erfordern. (Quelle: Studie zur Qualitätsbeurteilung von automatisierten Festungen). Eine Software kann beispielsweise zwar erkennen, ob ein Alternativtext oder eine Überschrift vorhanden ist, nicht aber, ob diese auch sinnvoll geschrieben sind. Das können bislang nur Menschen.
- Fehlende Nutzerperspektive: Automatisierte Tests können nicht feststellen, ob die Webseite benutzerfreundlich ist. Aspekte wie Benutzerführung oder semantische Korrektheit können sie nicht bewertet.
- Fehleranfällig: Fehler werden nicht immer gefunden. Im Zweifel sollte man den Quellcode überprüfen.
Manuelles Testen durch Menschen
Beim manuellen Testen überprüfen Expertinnen und Experten, ob digitale Produkte für Menschen mit verschiedenen Behinderungen zugänglich und benutzbar sind. Diese Methode kann auch in Ergänzung zu automatisierten Tests verwendet werden und nur die Aspekte prüfen, die von einer Software nicht prüfbar ist.
Merkmale:
- Manuelle Tests erfolgen durch spezialisierte Testpersonen oder Fachleute für digitale Barrierefreiheit, die manuell durch die Benutzeroberfläche navigieren und dabei verschiedene Szenarien durchspielen.
- Die Testenden bewerten anhand von Prüfschritten, ob Inhalte bedienbar, verständlich, wahrnehmbar und robust sind (Kategorisierung nach WCAG).
Vorteile:
- Ganzheitlichkeit: Manuelle Tests können alle Aspekte der digitalen Barrierefreiheit nach gesetzlichen Standards abdecken. Im Gegensatz zu automatisierten Tools scheitern sie nicht an Prüfpunkten, die einer menschlichen Interpretation bedürfen.
- Flexibilität: Testpersonen können flexibel reagieren und die Anwendung aus Sicht der Nutzenden bewerten. Außerdem können Prüfpunkte auf konkrete Anwendungsfälle bezogen und im Einzelfall interpretiert werden.
Nachteile:
- Kosten- und zeitintensiv: Manuelles Testen kann aufwendig sein, insbesondere bei großen und komplexen Anwendungen.
- Subjektivität: Da die Einschätzung teilweise auf den subjektiven Wahrnehmungen der Testpersonen basiert, können Ergebnisse variieren.
Testen mit Screenreadern
Screenreader-Tests sind wichtig, damit eine Anwendung für Menschen mit Sehverlust zugänglich ist. Beim Screenreader-Test werden Anwendungen wie Webseiten mithilfe eines Screenreaders bedient und geprüft. Die Tests können sowohl von blinden Menschen durchgeführt werden, die auf einen Screenreader angewiesen sind, als auch von Menschen mit Sehvermögen. In der manuellen Testung sollten Screenreader immer eingesetzt werden, da es hilfreich ist, sich in diese spezielle Nutzungsweise hineinzuversetzen und sich die Sprachausgabe tatsächlich anzuhören.
Merkmale:
- Der Test simuliert, wie blinde oder sehbehinderte Menschen die Anwendung nutzen würden.
- Häufig verwendete Screenreader sind JAWS, NVDA (kostenlos) und VoiceOver (iPhone). Sie interpretieren die Struktur der Webseite und geben auditives Feedback zu jedem Element, sodass Benutzer durch die Seite navigieren können.
Vorteile:
- Realitätsnähe: Der Test vermittelt ein realistisches Nutzererlebnis für Menschen mit Sehbehinderungen.
- Effektivität: Screenreader-Tests zeigen Probleme bei der Navigation und Interaktion auf, die für sehbehinderte Personen kritisch sein können, wie z.B. fehlerhafte Überschriftenstruktur oder unsichtbare Beschriftungen.
Nachteile:
- Technisches Know-how erforderlich: Screenreader-Tests erfordern Kenntnisse im Umgang mit den Screenreader-Programmen, was nicht jeder Nutzer oder Tester mitbringt. Durch Übung kann man sich dieses Wissen aneignen.
- Aufwendig: Ein vollständiger Test jeder Funktion mit Screenreader erfordert Zeit und ein gründliches Verständnis des jeweiligen Screenreaders und der zugrunde liegenden Strukturen.
- Vollständige Testung nur von Sehenden: blinde Menschen können manche gesetzliche Prüfpunkte mithilfe eines Screenreaders nicht testen, da diese nicht einordnen können, ob ein Element mit dem Screenreader überhaupt so ausgegeben wird, wie es visuell sichtbar ist.
Kurztest
Ein Kurztest ist ein kompakter Testprozess, der einen schnellen Überblick über die Barrierefreiheit einer Anwendung bietet. Er umfasst eine grundlegende Überprüfung auf häufige Barrierefreiheitsprobleme und wird oft als Ersteinschätzung genutzt.
Merkmale:
- Der Kurztest beinhaltet die Überprüfung zentraler Funktionen und grundlegender Inhalte, um häufige Fehler zu identifizieren, wie z.B. fehlende Alternativtexte oder fehlerhafte Farbkontraste.
- Er wird oft vor einer detaillierten Testung durchgeführt, um einen groben Eindruck über den Zustand der Barrierefreiheit zu erhalten.
Vorteile:
- Erster Eindruck: Mithilfe weniger Prüfschritte lässt sich grob abschätzen, wie barrierefrei eine Webseite ist und ob noch großer Nachholbedarf besteht. Diese Einschätzung kann hilfreich sein, um zu entscheiden, ob sich eine Überarbeitung der bestehenden Webseite lohnt oder ob ein vollständiger Relaunch sinnvoller wäre.
- Zeitsparend: Der Test kann schnell durchgeführt werden und ermöglicht eine rasche Bewertung.
- Früherkennung: Kurztests identifizieren schnell auffällige Probleme und ermöglichen eine rasche Behebung erster Barrieren.
Nachteile:
- Geringe Detailtiefe: Der Kurztest ist oberflächlich und deckt keine tiefgehenden oder komplexeren Barrierefreiheitsprobleme ab.
- Nur bedingt aussagekräftig: Er liefert nur eine Momentaufnahme und keine vollständige Analyse, weshalb er für komplexe Anwendungen nicht ausreicht.
Folgende Kurztest wir empfehlen: Easy Checks des des BIK-Prüfverbundes und Kurztest-Checkliste der Aktion Mensch.
Fazit
In der Testung digitale Barrierefreiheit gibt es vollkommen verschiedene Ansätze. Alle Tests haben Vor- und Nachteile Entscheidend bei der Auswahl ist das Ziel der Testung.
Automatisierte Tools bieten einen schnellen Überblick und decken technische Standards ab, während manuelle Tests den vollen Umfang der Barrierefreiheit überprüfen können und Screenreader-Tests realitätsnahe Nutzererfahrungen vermitteln. Kurztests bieten eine kosteneffiziente Ersteinschätzung und helfen, offensichtliche Probleme rasch zu identifizieren.
Eine optimale Prüfung der digitalen Barrierefreiheit kombiniert mehrere Methoden und berücksichtigt dabei die spezifischen Bedürfnisse und Einschränkungen der jeweiligen Zielgruppen. Will man eine Webseite nach gesetzlichen Standards testen, kommt man um eine manuelle Testung nicht rum. Ob das irgendwann durch Einsatz künstlicher Intelligenz möglich ist, bleibt abzuwarten.
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Autorin: Stiftung Pfennigparade