Barrierefreiheit in Online-Shops: Von Autoplay bis Untertitel
Digitale Barrierefreiheit
Digitale Barrierefreiheit ist fester Bestandteil nutzerfreundlicher Online-Shops. Zwei Kriterien aus den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) spielen dabei eine zentrale Rolle, wenn es um bewegte oder multimediale Inhalte geht: 9.1.2 Zeitbasierte Medien und 9.2.2.2 Bewegte Inhalte abschaltbar. Obwohl sich beide Anforderungen mit animierten oder videobasierten Inhalten befassen, verfolgen sie unterschiedliche Zielrichtungen. In diesem Artikel beleuchten wir die Abgrenzung der beiden Prüfschritte und geben Empfehlungen zur Umsetzung im E-Commerce.
9.1.2 Zeitbasierte Medien: Fokus auf audiovisuelle Inhalte
Das Prüfkriterium 9.1.2 umfasst sogenannte zeitbasierte Medien – also Inhalte, deren Wahrnehmung zeitabhängig ist. Diese umfassen:
- Audioinhalte (zum Beispiel Musikstücke und Podcasts)
- Videoinhalte (zum Beispiel Produktvideos)
- Audiovisuell synchronisierte Medien (zum Beispiel Erklärvideos mit Ton und Bild)
Die WCAG fordert hier – je nach Konformitätsstufe – Alternativen wie Untertitel, Audiodeskriptionen oder Transkripte, damit auch Menschen mit sensorischen Einschränkungen (zum Beispiel gehörlose oder blinde Personen) die Inhalte wahrnehmen können.
Warum ist das wichtig? Menschen mit sensorischen Einschränkungen – etwa Personen, die blind oder gehörlos sind – können Inhalte sonst nicht vollständig erfassen. Gerade Produktpräsentationen in Videoform müssen daher für alle zugänglich aufbereitet werden.
Beispiel aus dem Online-Shop: Ein Produktvideo mit gesprochener Erklärung muss untertitelt oder durch ein Texttranskript ergänzt werden. Bei audiovisuellen Erklärungen können zusätzliche Audiodeskriptionen erforderlich sein, um Bildinhalte für blinde Menschen verständlich zu machen.
9.2.2.2 Bewegte Inhalte abschaltbar: Fokus auf Ablenkung und Nutzerkontrolle
Der Prüfschritt 9.2.2.2 betrifft automatisch bewegte Inhalte – unabhängig davon, ob sie Ton enthalten oder nicht. Gemeint sind:
- automatisch abspielende Videos oder Animationen
- Karussells mit wechselnden Bildern oder Texten
- blinkende oder scrollende Inhalte
- automatisch aktualisierte Bereiche (zum Beispiel Tickermeldungen)
Wenn diese Inhalte länger als fünf Sekunden andauern, müssen sie vom Nutzer gestoppt, pausiert oder ausgeblendet werden können.
Dieses Kriterium schützt insbesondere Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Aufmerksamkeitsstörungen, autistischem Erleben sowie Menschen mit epileptischen Erkrankungen, für die unkontrollierte Bewegungen belastend oder sogar gefährlich sein können.
Abgrenzung des Prüfkriteriums 9.1.2 zu 9.2.2.2
Während das Kriterium 9.1.2 auf zeitbasierte Inhalte mit inhaltlicher Relevanz fokussiert – also Medien, deren Verständnis an eine zeitliche Abfolge gebunden ist –, adressiert 9.2.2.2 die Auswirkungen automatischer Bewegungen auf die Wahrnehmung und Konzentration. Ein automatisch startendes, stummes Produktvideo kann daher unter beide Kriterien fallen: Unter 9.1.2, wenn es visuelle Informationen enthält, die für blinde Menschen ohne Audiodeskription nicht zugänglich sind, und unter 9.2.2.2, wenn die Bewegung nicht steuerbar ist und somit Nutzer*innen ablenken oder beeinträchtigen kann.
Empfehlung für Online-Shops
- Vermeiden Sie Autoplay-Funktionen oder stellen Sie Steuerelemente bereit, um Videos oder Animationen manuell zu starten oder zu stoppen.
- Versehen Sie Karussells mit Bedienelementen zur Navigation und Pausierung.
- Prüfen Sie bei jeder Bewegung, ob sie notwendig ist oder lediglich dekorativ wirkt.
- Ergänzen Sie Videos immer durch barrierefreie Alternativen wie Untertitel, Transkripte oder Audiodeskriptionen.
Bewegte Inhalte in Online-Shops erhöhen oft die visuelle Attraktivität – sie können aber auch Barrieren darstellen. Die Unterscheidung zwischen zeitbasierten Medien (Prüfkriterium 9.1.2) und allgemein bewegten Inhalten (Prüfkriterium 9.2.2.2) ist entscheidend, um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. So profitieren alle von einem zugänglichen Einkaufserlebnis.
Autorin: Stiftung Pfennigparade