24. Podcast-Folge: Gesetzliche Pflichten für öffentliche Stellen zur Digitalen Barrierefreiheit (1/2)
Podcast - Digitale Barrierefreiheit
Im Interview mit dem Juristen Sven Niklas von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit
Öffentliche Stellen sind seit einigen Jahren zu digitaler Barrierefreiheit verpflichtet. Doch was bedeutet diese Forderung genau, welche Gesetze gibt es und welche Standards sind umzusetzen? Zu diesem Thema haben wir den Juristen Sven Niklas von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit befragt.
In der ersten Folge dieser Doppelfolge werfen wir einen Blick darauf, wozu öffentliche Stellen verpflichtet sind. In der zweiten Folge im Februar klären wir auf, was von Unternehmen künftig gefordert wird.
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- Sven Niklas arbeitet bei der Bundesfachstelle Barrierefreiheit
- Handreichung der Überwachungsstelle des Bundes zur Barrierefreien Gestaltung von User Interface-Elementen
- Barrierefreie Informationstechnik Verordnung (BITV 2.0)
- Europäische Norm EN 301549 (v 3.2.1)
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Im Interview mit Sven Niklas von der Bundesfachsstelle Barrierefreiheit zu den gesetzlichen Anforderungen an öffentliche Stellen
Sven Niklas (Zitat mit Musikuntermalung): Das ist natürlich eine Klassiker Frage. Es gibt keine Übergangsfristen mehr. Also, wir haben tatsächlich sozusagen jede Übergangsfrist sowohl im Bund als auch in den Ländern verstreichen lassen, und die Ausnahmen sind vor allem mit dem Argument der unverhältnismäßigen Belastungen heute noch vorstellbar. Jetzt muss man sich vorstellen, eine unverhältnismäßige Belastung kann also nicht sein. Wir haben darauf keine Zeit, keine Kapazität oder auch, was gerne genutzt wird. Wir haben dafür kein Geld, sondern es muss tatsächlich in einem Einzelfall erwiesenermaßen, das heißt, man muss sehr viel Energie aufwenden, um erst mal nachzuweisen, warum ich keine barrierefreie Lösung finde. Das sollen dann die jeweiligen Stellen sich dann auch wirklich gut überlegen, ob sie mehr Energie hineinsetzen in dem Bereich, diesen Einzelfall irgendwie darzulegen, als dass man sagt: Okay, dann machen wir es einfach.
Alexandra Gödeke (Intro mit Musikuntermalung): Barriere los! Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.
Dennis Bruder: Hallo und willkommen zu BarriereLos, dem Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Mein Name ist Dennis Bruder, und ich bin Berater zum Thema digitale Barrierefreiheit von der Beratungsstelle Barrierefreiheit in Bayern. Das Jahr Jahr 2024 hat gerade begonnen, und in den beiden ersten Folgen des Jahres wollen wir uns mit einem Thema beschäftigen, das für alle öffentlichen Stellen in Deutschland und bald auch für viele Unternehmen von zentraler Bedeutung ist. Nämlich, wie sieht die gesetzliche Lage beim Thema digitale Barrierefreiheit aus, und wer ist sowas verpflichtet? Um das zu klären, haben wir dieses komplexe Thema diesmal in zwei Episoden unterteilt. In der ersten Folge beschäftigen wir uns damit, wie die gesetzliche Lage für öffentliche Stellen aussieht, welche Gesetze zu beachten sind und zu was öffentliche Stellen genau verpflichtet sind. In der zweiten Episode geht es dann um das Barrierefreiheitsstärungsgesetz, mit dem erstmals auch viele Unternehmen mit ihren Dienstleistungen und Produkten zu digitaler Barrierefreiheit verpflichtet werden. Und auch zu dem heutigen Thema haben wir wieder einen Experten eingeladen, nämlich den Juristen Sven Niklas von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit: Hallo, Herr Niklas,
Sven Niklas: Schönen guten Tag!
Dennis Bruder: Bevor ich jetzt mit meinen Fragen anfange, stellen wir sie aber noch mal vorab in einem kurzen Steckbrief selbst vor.
Alexandra Gödeke (Einspieler mit Musikuntermalung): Sven Niklas ist studierter Jurist. Außerdem besitzt er einen Master-Abschluss in Barrierefreier Kommunikation. Als Kind gehörloser Eltern beherrscht er sowohl die Deutsche Lautsprache als auch die Deutsche Gebärdensprache fließend. Seit 2016 ist er Mitarbeiter der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, in der er inzwischen Büroleiter ist.
Dennis Bruder: So, jetzt haben wir mal kurz über ihren Werdegang was gehört, und jetzt komme ich auch konkret zu ihrer Tätigkeit in der Bundesfachstelle. Was macht denn die Bundesfachstelle Barrierefreiheit und was ist dort ihre Rolle?
Sven Niklas: Genau also, ich bin bei der Bundesfachstelle aktuell als Büroleiter tätig. Die Bundesfachstelle bei ihrer Freiheit kümmert sich vor allem um das Thema Erstberatung der öffentlichen Stellen des Bundes. Das ist so die Hauptaufgabe, die wir momentan erfüllen. Zum Thema Barrierefreiheit wird dort beraten, und wir beraten je nach Kapazität aber auch gerne die Zivilgesellschaft, also sozusagen Privatpersonen oder Unternehmen, wenn wir dafür noch weitere Kapazitäten haben, und im Kern kann man sich das so vorstellen: Wir bekommen vor allem anfragen von Bundesbehörden zum Thema Barrierefreiheit. Das beginnt also über bauliche Barrierefreiheit, digitale Barrierefreiheit oder kommunikative Barrierefreiheit, rechtliche Fragen zum Thema Barrierefreiheit. Solche Fragen werden uns immer wieder gestellt, und dort bin ich quasi an der Schnittstelle zwischen der Leitung der Bundesfachstelle und dem übrigen Team, kümmere mich also übergeordnet um Themen Organisation, Finanzierung. Rechtliche Fragen berate ich auch gerne immer mehr wieder, und mein privates Steckenpferd, was ich selber mitbringe, sozusagen neben der Juristerei, ist das Thema bei ihre freie Kommunikation. Dort habe ich also als Muttersprachler in deutscher Gebärdensprache, weil ich als Kind gehörloser Eltern quasi groß geworden bin, dort eben dieses Thema zusätzlich auch noch also alles, was so mit Gebärdensprache zu tun hat, in der Bundesfachstelle. Bei ihre Freiheit landet in der Regel dann auch bei mir. Genau!
Dennis Bruder: Okay, dann kommen wir schon mal zum Thema, und zwar die gesetzliche Lage in Deutschland ist ja soweit für öffentliche Stellen weitestgehend geklärt. Trotzdem gibt es dort viele Begriffe, die immer wieder auftauchen und die vielen vielleicht auch nicht ganz klar sind. Da ist dann die Rede von Richtlinien, von Gesetzen, von Verordnungen, von Normen. Können sie vielleicht mal diese Begriffe genauer erklären, und vielleicht auch mit dem konkreten Beispiel in Richtung der digitalen Barrierefreiheit?
Sven Niklas: Sehr gerne, ich probiere, das so ein bisschen kurz zu fassen, dass wir es nicht ausufernd machen. Also, Gesetze und Verordnungen werden ja vor allem vom Bund oder auch den Ländern erlassen. Also als Beispiel Barrierefreiheit oder der digitale, bei ihre Freiheit zu bleiben, haben wir auf Bundesebene zum Beispiel dann das Behindertengleichstellungsgesetz oder die BITV 2.0 oder die Kommunikationshilfenverordnung und da auf Landesebene dann zum Beispiel die jeweiligen Landes-Behindertengleichstellungsgesetz. Das heißt, das sind alles rechtliche Bereiche, die dort vom Bund oder von den Ländern eben erlassen werden. Bei Richtlinien spricht man klassischerweise davon, die werden von der EU erlassen. Das heißt also, da reden wir über einen europäischen Rahmen. Da sind so ganz bekannte Bereiche, zum Beispiel der European Accessibility Act, also der sich ja dann auch konkret im BFSG später hier noch in dem Podcast dann auch äußert, oder zum Beispiel auch eine weitere bekannte Richtlinie war dann die EU Webseitenrichtlinie, und bei Richtlinien ist es so, die werden von der, von der EU sozusagen erlassen, beziehungsweise von der Kommission. Die müssen aber auf nationaler Ebene noch mal umgesetzt werden. Und dann haben wir eben genau eine Gesetzgebung, die quasi anhand einer Richtlinie solche Dinge noch mal in die nationale Gesetzgebung mit einfließen lässt, damit man dort eben auch eine rechtliche Regelung hat, weil bei uns eine Richtlinie in dem Fall nicht unmittelbar gilt, sondern der muss eben umgesetzt werden, damit wir das Ganze auch auf nationaler Ebene hier in Deutschland dann tatsächlich auch haben können. Gehen wir mal in einen anderen Bereich, den sie gerade genannt haben, den Bereich der Normen. Da gibt es verschiedene Ebenen. Es gibt die internationale Ebene, die europäische Ebene oder auch die nationale Ebene. Fangen wir mal mit der nationalen Ebene an. Da kennen, glaube ich, alle, dass das DIN, also das Deutsche Institut für Normung, das sind, also quasi Normen, die auf nationaler Ebene eine Art, ich nenne es immer so Kompromissvorschriften. Es klingt so ein bisschen despektierlich, ist es aber gar nicht gemeint, sondern es geht um technische Regelwerke, es geht um gemeinsame Handhabung, wie Sachen umgesetzt werden können, damit alle einen gleichen Standard haben. Das ist so ein bisschen die Idee hinter diesem Normungsprozess, und da gibt es eben verschiedene Ebenen. Und wenn wir auf der EN-Ebene, also auf der europäischen Ebene, gucken, ist natürlich die bekannten Normen, die wir auch heute noch behandeln werden die EN 301 549, die sich eben vor dem Bereich der der Barrierefreiheit kümmert, also wo ganz viele digitale Barrierefreiheitsthemen drinstecken, damit man so ein bisschen eine eine Vorstellung davon hat. Und Normen sind quasi eine Heranziehung von auch technischen Spezifika, wo die Leute eben tatsächlich auch nachlesen können, was muss entweder konkret umgesetzt werden oder zumindest was sind die Bereiche, die von dem Gesetz gefordert sind, die ich dann aber in der technischen Umsetzung tatsächlich irgendwie herbeiführen muss? Das sind so ein bisschen die Bereiche, die alle damit einher spielen. Es ist eine spannende Sache. Man kann sich da auch sehr tief reinarbeiten, aber ich glaube, so haben sie einen ganz guten Überblick bekommen, wo dann einfach die Unterschiede zwischen den jeweiligen Bereichen liegen, zwischen Gesetzen und Verordnungen, den Richtlinien oder eben dann auch den Normen an der Stelle.
Dennis Bruder: Okay, ich glaube, das bietet jetzt schon mal grundsätzlich eine ganz gute Orientierung. Es gibt ja in Deutschland jetzt gerade auch zu barrierefreien Webseiten oder zu Software dann ja ne Reihe von Gesetzen und Standards. Welche sind denn jetzt in Deutschland genau relevant? Also welche betreffen eben genau unser Thema?
Sven Niklas: Genau das, das Spannende daran ist, so ein bisschen vermischen sich viele Dinge immer so ein bisschen, dass wir den Überblick behalten. Wir gehen immer davon aus, wir haben erst mal ein Gesetz. In dem Gesetz steht drin, woran habe ich mich zu halten? Was sind meine Vorgaben, was muss ich erfüllen? In dem Fall richten sich ja die Gesetze dann in dem Block hier an die öffentlichen Stellen und diese. Also nehmen wir zum Beispiel das Behindertengleichstellungsgesetz, und in dem Behindertengleichstellungsgesetz gibt es dann den Verweis auf eine Verordnung. In dem Fall zum Beispiel dann auf die BITV 2.0, und wenn man das jetzt sozusagen weiter liest und in die BITV 2.0 schaut, dann wird man irgendwann feststellen, dass das man auf technische Regelwerke zurückgreift, die dann in einer solchen Verordnung referenziert werden. Das heißt also, in der Verordnung steht dann drin, anhand der europäischen Normen in dem Fall dann zum Beispiel die EN 301 549 sind die Kriterien der Barrierefreiheit einzuhalten. Das bedeutet also, in dem Gesetz steht drin, du musst Barrierefreiheit herstellen. In der Verordnung steht drin, wo, wo sich das ganze befindet, und die Verordnung verweist dann eben auf ein ein Regelwerk, in dem Fall zum Beispiel dann auch auf das die EN-Norm, in der dann konkret die technischen Spezifika entweder aufgelistet sind oder die zumindest die Hinweise darauf geben, was die Vorgaben oder was die Kriterien dabei sind. Das ist quasi eine Art Rechtekette. Da muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass eben in allen Bereichen auch Aktualisierungen stattfinden. Das muss man immer wieder einen Blick haben. Deswegen kann es immer wieder sein, dass sich dort auch Dinge ändern. Aber entscheiden für uns, für unser Handeln und tun hier für öffentliche Stellen, ist natürlich erst mal das Gesetz und vom Gesetz ausgehend schauen wir uns dann die weiteren Verweise über die Verordnung und dann eben auch die Normen an.
Dennis Bruder: Okay, also, wir haben jetzt gerade schon mal den Begriff der EN 301 549 gehört. Das ist ja die Norm, die dann quasi in Europa gilt. Es gibt aber auch noch so eine, quasi Norm, das ist die WCAG. Wie kann man denn das unterscheiden und was gilt denn dann in Europa oder Deutschland eher also, woran können sich Web entwickelnde orientieren?
Sven Niklas: Genau ich sage mal, man muss sich beides tatsächlich anschauen. Warum? Weil die EN Norm am Ende mit ihren Kriterien vor allem auch auf die WCAG referenziert. Also ich habe es ja vorhin schon mal erwähnt, dass es quasi immer eine Art Verweiskette ist, und von der EN-Norm wird dann wiederum auf die Kriterien der WCAG zurückgegriffen. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, sind es fast überwiegend überwiegender Teil der WCAG wird quasi in der EN-Norm auch wieder mit genannt. Das heißt also, man kann anhand der EN-Norm zur Hilfenahme der WCAG-Kriterien dann tatsächlich, glaube ich, einen ganz guten Eindruck davon bekommen, was alles einzuhalten ist. Man muss ja dazu sagen, dass die WCAG einen internationalen Bereich abdecken soll. Das heißt, es geht nicht nur irgendwie den deutschen Bereich oder in den europäischen Bereich, sondern es geht eben auch um den amerikanischen Bereich oder um weitere Länder, und dort ist es so, dass eben nicht alle Kriterien, die in der WCAG so aufgelistet sind, auf dem europäischen Bereich eben eins zu eins anzuwenden sind. Daher muss man immer wieder sich anschauen, was wird tatsächlich in der EN-Norm gefordert, und dann wird dort der Verweis auf die jeweiligen WCAG-Kriterien gemacht, und dann hat man einen ganz guten Überblick darüber, welche Kriterien letztendlich eins zu halten sind. Das heißt, es bietet sich irgendwann andere, natürlich mit gewissen, ja ich würde sagen, Checklisten oder Kriterienkatalogen zu arbeiten und die dann sozusagen Stück für Stück durchzugehen. Das ist recht komplex. Also, das kann man jetzt hier im Podcast gar nicht so schnell alles aufzählen, aber es ist ein sehr, sehr spannender Bereich, den man sich sehr genau angucken muss, welche Kriterien eben dann immer wieder heranzuziehen sind.
Dennis Bruder: Genau also nochmal zusammenfassend: Die EN referenziert in ganz vielen Bereichen auf die WCAG, geht dann aber in den Forderungen auch teilweise dann noch mal darüber hinaus. Und wenn man sich die EN nochmal genau anschaut, das sind wirklich ganz viele einzelne Aspekte quasi aufgeführt, die auf die Kriterien der WCAG referenzieren und die dann aber auch noch mal erweitern. Und dann gibt es natürlich auch noch in Deutschland die BITV, die ja eben auf die EN 301 549 referenziert, und die verlangt dann aber auch zusätzlich zur europäischen Gesetzgebung gewisse Dinge. Was wird denn dort noch mal zusätzlich verlangt?
Sven Niklas: Was, was ist dort in der BITV an Spezialität gibt, was in der EN-Norm nicht geregelt ist, sind tatsächlich die Bereiche Videos in deutscher Gebärdensprache zur Information, also zur barrierefreien Informationen und Vorallem auch Texte in Leichter Sprache. Das sind zwei Punkte, die wir zusätzlich in Deutschland als Barrierefreiheitskriterien mit dabei haben, die aber auf der europäischen Norm bei der EN-Norm zumindest keine keine Rolle tatsächlich gespielt haben, weil es dort um eher die technische Barrierefreiheit ging. Also dort ging es eher sozusagen um den Bereich der der technischen Umsetzung von Barrierefreiheit, von, was ist Tastatursteuerung über Kontrast und ähnliche Dinge, und die BITV zusätzlich eben auch noch barrierefreie Kommunikation mit aufgenommen, was aber tatsächlich ganz essenziell ist, um eben eine vollumfängliche Barrierefreiheit herstellen zu können.
Dennis Bruder: Okay, auch noch ein kleiner Hinweis, also die EN, die gibt's natürlich immer Hinweise zu einzelnen Kriterien der Barrierefreiheit. Sie sagt dann aber häufig auch nicht genau, wie man denn diese Kriterien erfüllen kann oder soll. Und da, und das werden wir auch noch in den Shownotes dann verlinken, gibt's inzwischen von der Bundesüberwachungsstelle einen Handlungsleitfaden für barrierefreie User Interface Elemente. Dazu haben wir auch schon eine Podcastfolge gemacht, die einfach nochmal ein bisschen konkretere Hinweise gibt. Und es gibt auch in Deutschland noch ein sehr weit verbreiteten Test. Das ist der BITV Test vom BIK-Prüfverbund, die auch Kriterienprüfkatalog aufgelistet haben, wo die EN dann nochmal ein bisschen genauer erklärt wird und auch Werkzeuge an die Hand gegeben werden. Das nur zur Orientierung für alle, die vielleicht auch in der Umsetzung jetzt nochmal konkreter beteiligt sind.
Sven Niklas: Es ist quasi eine Paralleldebatte, einmal zwischen den technischen Umsätzen und der juristischen Umsetzung.
Dennis Bruder: Genau jetzt gibt's ja neben der BITV 2.0, nochmal Landesgesetzgebungen der Bundesländer. Warum ist denn das überhaupt nötig?
Sven Niklas: Ja, diese Frage wird uns oft gestellt. Wir heißen ja auch Bundesfachstelle Barrierefreiheit und es gibt dazu, glaube ich, also, 16 sind es noch nicht, aber eben verschiedene Landesfachstelle da barrierefrei. Das lässt sich relativ simpel erläutern. Das hängt natürlich mit dem Föderalismus zusammen, da wir in Deutschland dem Föderalismus auch im Grundgesetz haben. Also das ist quasi die verfassungsrechtliche Grundlage. Letztendlich auch ist es so, dass die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel, wenn wir wieder in den Bereich der öffentlichen Stellen zurückgehen, ja vor allem mit Landes oder Kommunalbehörden kommunizieren und interagieren. Also ich sage immer, das Leben des Bürgers findet in der Regel nicht im Bund statt, sondern er lebt ja eben im Land und dann jeweils in seiner Kommune oder in seiner Stadt, und dort sind natürlich dann auch die die gesetzlichen Grundlagen zu sehen, und dort müssen sie auch geregelt werden. Das ist der Hintergrund, warum es überhaupt eben auch weitere Landesgesetzgebungen in dem Fall gibt.
Dennis Bruder: Okay also, da muss man sich quasi als öffentliche Stelle in einem Bundesland, wenn man eben nicht als Bundesbehörde gilt, einfach nochmal mit der Landesgesetzgebung auseinandersetzen. Und wir sind ja jetzt hier von der Beratungsstelle in Bayern, und jetzt gehen wir doch einfach mal von einem konkreten Beispiel aus, also einer bayerischen Gemeinde. Welche Gesetze und Standards währen denn da relevant?
Sven Niklas: Wenn man sich dann eine Gemeinde in Bayern anschaut, fällt einem natürlich als erstes auf das bayerische behinderten Gleichstellungsgesetz. Hinzukommt dann zum Beispiel eine Verordnung wie die bayerische Kommunikationshilfen Verordnung, die dort dann eben auch für die bayerische Landesgesetzgebung gilt, und damals gab es dann auch noch die bei BITV, das heißt quasi eine bayerische BITV, die auf die auf der Landesebene stattgefunden hat. Die ist aber inzwischen nicht mehr aktuell. Es gab dann auch eine Zeit lang die die bayerische Government Verordnung, also bei Verordnung. Also, es sind jetzt ganz viele Fach Abkürzung von Gesetzen, aber so arbeiten Juristen in der Regel auch immer wieder, und inzwischen hat man das aber angepasst, und es gibt jetzt ganz aktuell beziehungsweise seit, glaube ich, wenn ich es richtig gesehen habe, Juni oder Juli letzten Jahres gibt es die bei, also die bayerische digital Verordnung, und dort sind sozusagen alle Verordnung irgendwie zusammengefasst worden, die Barrierefreiheit auch unter anderem betreffen, was den digitalen Bereich angeht, und das hat man quasi auch wieder mit einer Referenzierung gemacht. Das über die über das bayerische bindenden Gleichstellungsgesetz wird dann wieder von einer Verordnung gesprochen, und die inzwischen zum Beispiel in der bayerischen Kommunikationshilfen Verordnung oder in der BITV zu sehen. Genau.
Dennis Bruder: Okay, dann versuchen wir das jetzt mal ganz konkret zu machen. Wenn man jetzt eine bayerische Gemeinde ist, was muss ich denn jetzt als bayerische Gemeinde nun alles konkret umsetzen?
Sven Niklas: Das ist tatsächlich sehr, sehr spannte. Haben wir auch nochmal auch nochmal nachgelesen, oder habe ich dann nochmal nochmal recherchiert, was denn die Unterschiede zwischen Bund und Land sind, und ne Gemeinde in Bayern hat per Se erst mal die Aufgabe, eine barrierefreie Website anzubieten. Also die Website einer Gemeinde in Bayern muss technisch barrierefrei sein. Dann hab ich nochmal ein bisschen genauer reingeschaut. Ja, wie ist es denn dann mit der BITV zwei? Null. Inzwischen ist es so, dass die, die das bayerische minderten Gleichstellungsgesetz auf die Bundes BITV quasi verweist, und dann gibt es aber weitere Ausnahmeregelungen, in denen dann drinsteht, die Anlage zwei der BITV in Anlage zwei sind geregelt, eben die Bereiche der Gebärdensprache und der leichten Sprache. Diese Anlage zwei wird den Gemeinden nur empfohlen. Da steht also nicht drin, ihr müsst Videos in Gebärdensprache anbieten oder Texte in leichter Sprache, sondern sie wird nur empfohlen, hat also an der Stelle nur ein Empfehlungscharakter, und das ist etwas, was man tatsächlich ganz konkret dann sehen kann. Wenn man eben sich auf der Website von jetzt aktuell in der bayerischen Kommune umsehen würde, kann es durchaus sein, dass dort eben keine Texte in leichter Sprache oder in Gebärdensprache zu finden sind, also Videos in Gebärdensprache und Texte in leichter Sprache, und das ist etwas, was tatsächlich einen Unterschied darstellt zum zum Bund. Aber ansonsten in der technischen Umsetzung der Barrierefreiheit, sind die Gemeinden genauso verpflichtet, quasi wie auch eine eine Bundesbehörde ihre Website barrierefrei herzustellen. Es gibt dann, glaube ich, nochmal Ausnahmen im Bereich von Kitas und Schulen. Da müsste man sich dann die Einzelfälle nochmal angucken, wie es dort im Einzelfall geregelt ist. Aber so als grobe Orientierung hat man da schon mal einen ganz guten, guten Einblick.
Dennis Bruder: Die beide haben wir jetzt gerade gehört. Die Verweis dann wiederum auf die BITV 2.0 und eben Webseiten stehen dort in der Verpflichtung, stehen auch Apps mit drin. Und dann gibt's noch einen Passus. Den muss ich jetzt kurz vorlesen, weil der immer so ein bisschen kryptisch ist, nämlich elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe einschließlich der Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung. Was bedeutet denn dieses Monstrum an Begrifflichkeit?
Sven Niklas: Genau ich glaube, es ist eine eine sehr technische Formulierung, die, glaube ich, die alte Zeit und die neue Zeit versucht, so ein bisschen zusammenzubringen. Das heißt also, dieser ganze Prozess der Digitalisierung zeichnet sich eigentlich ganz gut in so einem, in so einem Abschnitt aus, dass man das versucht, eben Juristen Kontext irgendwie so abzubilden, dass quasi der der Übergang von einer Papierakte im Bereich zur digitalen Akte irgendwann damit auch erfasst wird. Da geht es aber vor allem darum, dass sowohl Prozesse innerhalb einer digital ablaufen und die dementsprechend auch barrierefrei sein müssen, weil gewisse Anwendungen ja auch für den Bürger oder für die Bürgerinnen und Bürger ja auch nur noch digital möglich sind. Das heißt also, ich mache eine digitale Eingabe, bekommen eventuell auch eine digitale Information zurück, und all diese Bereiche müssen eben tatsächlich dann auch den Aspekt der Barrierefreiheit mit berücksichtigen, und das ist etwas, was einen sehr langwierigen Prozess mit sich bringt, weil natürlich oft in den jeweiligen Ländern auch unterschiedliche technische Voraussetzungen gegeben sind. Ich weiß, dass in manchen Bundesländern es relativ schnell geht, in anderen Bundesländern dauert es ein bisschen länger. Die Umsetzung hängt oft auch immer mit der Größe und so weiter zusammen. Aber das kann man sich sozusagen so konkret unter diesem Bereich vorstellen. Dass quasi alles, was ich im digitalen Bereich, was aber jetzt nicht die Website konkret alleine betrifft, habe, weiß ich nicht, wenn ich eben Informationen austausche, Daten eingebe, Daten rausbekomme, dass das alles tatsächlich eben mit umfasst ist, und hier gibt es ja noch den Passus, elektronische Vorgangsbearbeitung, das ist dann eben dann ganz klassisch quasi die die digitale Eingabe von Informationen bei der Behörde, wenn ich dann eben Informationen in den Computer eingebe, dass dieser Bereich eben auch mit abgedeckt ist, und dann umfasst es eben mehr als nur die Website einer öffentlichen Stelle, und deswegen ist dieser Bereich eben auch mit aufgenommen worden.
Dennis Bruder: Also quasi auch alle mögliche Software, die intern gekauft wird.
Sven Niklas: Die man zur Datenverarbeitung benutzt, zum Beispiel, könnten da auch teilweise mit reinfallen. Da muss man sich wieder anschauen, wofür wird die Software genau benutzt. Gibt es externe Schnittstellen? Intern Schnittstellen? Das wird dann immer sehr konkret. An der Stelle hängen, muss man es immer mal wieder im Einzelfall sich genauer anschauen. Aber in diese Richtung geht es auf jeden Fall genau.
Dennis Bruder: Gut, jetzt haben wir zur Software oder zu den internen Verwaltungsabläufen was gehört. Jetzt kommen wir nochmal zum Beispiel Website. Es gibt häufig den Fall, dass ich jetzt als Website Betreiber externe Integrationen für gewisse Dinge integrieren. In meine Webseite, wie zum Beispiel Veranstaltungskalender kommen häufiger vor oder Video Integrationen. Wie schaut es denn damit aus? Also man hat ja eigentlich keinen direkten Einfluss auf die Programmierung dieser Elemente, aber was muss ich denn da beachten?
Sven Niklas: Genau früher früh hätte man sagen können, es ist vielleicht noch nicht geklärt oder ungeklärt. Inzwischen ist es so, auch wenn die Sachen quasi von externen implementiert werden. Auf einer Website ist es so, dass wir als öffentliche Stelle sind, haben ja immer die Grundlage, dass wir eine öffentliche Stelle haben, die diese Website betreibt, als Website Betreiber an der Stelle auch sagen müssen, wir, wir sind dazu verpflichtet, in weit möglichsten Maß, alles was an Barrierefreiheit möglich ist, auch in diesen Tools oder in diesen zusätzlichen Anwendungen mit hinzunehmen, was soweit gehen kann, dass man entweder solche Anwendungen wieder runternehmen muss und barrierefreie Alternative benötigt, oder zumindest den den Betreiber von diesen Tools, wenn man dort noch nicht so weit ist, tatsächlich auch einen Bereich findet, wo man sagt, ihr müsst diese Tools tatsächlich auch für uns barrierefrei anbieten, weil wir sind verpflichtet, unsere Webseite barrierefrei anzubieten. Also es gibt ja auch den anderen Part. Ich wandere mit all meinen Inhalten in dem Bereich der Social Media. Da werden sie sicherlich noch eine andere Sendung zu haben oder einen anderen Podcast mal zu aufnehmen. Aber auch dort ist es so alles, was mir diese Tools anbieten. Ich will jetzt keine nennen, aber quasi jede social media Plattform, alles, was mir diese Tools anbieten an Barrierefreiheitsmöglichkeiten, die muss ich erst mal nutzen, und dann muss ich sogar noch mehr anschauen, ob es Alternativinformationen gibt. Sind das quasi exklusiv Informationen, die nur dort auf dieser Plattform stattfinden, die auf meiner Webseite zum Beispiel gar nicht dabei sind? Also auch da muss man immer wieder Abwägungen treffen, inwiefern die Barrierefreiheit dann auch tatsächlich eingehalten ist. Aber das ist ein sehr spannender Bereich, weil ja auch immer wieder neue Dinge hinzukommen. Ich glaube, allein in den letzten zwei Jahren sind ganz viele neue social media dinge nochmal hinzugekommen, wo man auch der Entwicklung oft gar nicht so schnell hinterher laufen kann, sondern muss immer wieder gucken, was bietet es letztendlich an. Aber da sind die Tools oder die Angebote oft schon meist weiter, als man denkt, was das betrifft.
Dennis Bruder: Genau also, da muss man sich tatsächlich auch immer gut mit den Dokumentationen der einzelnen Betreiber, also gerade bei Social Media ist es, so auseinandersetzen, was man wo machen kann, und das sind, weiß ich aus eigener Erfahrung, weil ich selber in Social Media kanal für die Stiftung Pfennigparade mach. Es ändert sich. Häufig, ist DIN en manchmal Dinge nicht. Man muss in der App woanders hinschauen als in der Plattform selber, also in der browserbasierten. Ist manchmal relativ kompliziert und mühselig, aber es hilft immer in die Dokumentationen von solchen Plattformen zu schauen, aber auch eben von den ganzen Integrationen. Und da ja auch noch mal, also, wenn man zum Beispiel eine Ausschreibung macht als öffentliche Stelle oder wenn man schaut, welches Tool man einkaufen kann, sollte man eben immer nochmal darauf achten, wie Barrierefreiheit möglichst auch nach gesetzlichen Standards beachtet wurde.
Sven Niklas: Genau so ist es,
Dennis Bruder: Wenn ich jetzt eine barrierefreie freie Webseite oder Software oder irgendwas ausschreibe. Wie kann ich denn als öffentliche Stelle sichergehen, dass meine Dienstleister Brarrierefreiheit auch wirklich nach den gesetzlichen Standards umsetzen?
Sven Niklas: Das ist eine sehr spannende Frage, weil die uns häufig gestellt wird, und ich kann als allererstes immer Antworten. Wir empfehlen, immer zusätzlich noch eine unabhängige Testung durchführen lassen, weil häufig ist es so, dass die Hersteller oder die Dienstleister, die quasi die bei ihre Freiheit hergestellt haben, wenn man das nicht selbst umgesetzt hat beim natürlichen mitteilen. Ja, ist alles barrierefrei nach den Kriterien der BITV 2.0, aber sie hatten es ja selber schon mal angesprochen. Es hilft tatsächlich, dort eben nochmal den dementsprechenden Tests irgendwie drüber laufen zu lassen, weil man dann auch ein unabhängiges Ergebnis davon bekommt, und das ist etwas, was einem ja auch eine zusätzliche Kontrolle ermöglicht und was man dann in Anspruch nehmen kann, und das haben sie ja selbst eben auch quasi als Institution mit dabei, dann auch darüber hinaus einfach noch mal eine zusätzliche Beratung von Verantwortlichen Stellen, die zur Barrierefreiheit beraten, die noch mal in Anspruch nehmen, oder den dementsprechend auch die Verbände befragen, und in erster Linie, und das halte ich immer noch für das allerwichtigste, dann auch die Bürgerinnen und Bürger auch immer mal wieder zu befragen. Ich sag immer so Stichwort Feedbackmechanismus, dass man dort einfach sich auch noch mal Rückmeldung einholt. Aber häufig ist es so, dass für die eine Person eine Website barrierefrei ist, für die anderen nicht, und dann überlegt man schon, okay, welche Kriterien haben wir denn übersehen? Was wurde nicht erfüllt oder wurden alle Kriterien erfüllt? Und es gibt vielleicht noch mal eine weitere Konstellation. Da gibt es immer wieder ganz interessante Fälle, die einem nicht sofort bewusst werden, und dann muss man auch erst mal ergründen. Liegt es an der Technik, liegt es an der Person, liegt es an der Website, liegt es am Betreiber? Also da gibt es ganz viele, viele Bereiche, die man sich dort immer wieder anschauen kann. Und ein weiteres Stichwort, was ich nur kurz reinschmeißen würde, wäre tatsächlich, dann auch die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch zu internen oder auch externen Weiterbildung einfach auch zu befähigen und dort sie zu motivieren, sowas anzunehmen, weil es einfach ein ganz, ganz spannender Bereich ist, sich dort eben auch immer wieder weiterzubilden.
Dennis Bruder: Ja, genau das ist ja immer die Unterscheidung zwischen der redaktionellen Bespielung einer Webseite, die natürlich auch in der gesetzlichen Verpflichtung liegt, und dem technischen Hintergrund. Aber ich gehe davon aus, weil sie das jetzt noch nicht erwähnt hatten, dass man natürlich auch quasi schon im Ausschreibungstext möglichst konkret werden sollte, was genau umgesetzt werden muss, mit Gesetzesreferenzierungen oder?
Sven Niklas: Genau das ist etwas, was ich sonst, glaube ich, noch mal, in dem anderen Aspekt irgendwie genannt hätte: dass man eben auch guckt, wenn ich eine Seite neu aufsetze oder wenn ich die nächste Ausschreibung mache, dass diese Sachen immer mit berücksichtigt werden, also dass ich schon vorbereitende Maßnahmen treffe, dass eben die Kriterien der Barrierefreiheit immer wieder mit berücksichtigt beziehungsweise sogar verpflichtend auch mit drinstehen.
Dennis Bruder: Was kann man denn, wenn man jetzt eine Website rausgegeben hat, und den Fall haben wir häufiger in der Beratung, da gibt es dann Dienstleister, die sagen ja, wir wissen schon Barrierefreiheit und dann am Ende kommt ein nicht barrierefreies Produkt raus. Was kann man denn machen als Auftraggeber, wenn die Webseite dann am Ende eben nicht barrierefrei programmiert wurde?
Sven Niklas: Da müsste man jetzt klassisch juristisch argumentiert, natürlich immer erstmal sich das Vertragsverhältnis anschauen und gucken, was wurde denn letztendlich in Auftrag gegeben, und was wurde geliefert? Haben wir einen Fall der Gewährleistung an der Stelle, oder sind wir dann sogar noch einen Schritt weiter und müssen eben von den Dienstleistern eine Nachbesserung fordern? Das wäre dann aber eine juristische Auseinandersetzung. Da würde ich jetzt gar nicht so weit in die tiefe gehen. Entscheidender ist glaube ich so ein bisschen der Bereich, dass wir es hinbekommen, etwas zu zu kreieren, wenn wir eben eine Ausschreibung haben, wo wir diese konkreten Vorgaben einfach auch schon reinschreiben. Wir kennen Ausschreibungen, die auch vorgegeben sind, teilweise. Es gibt Musterausschreibungen, die eben all diese Kriterien schon mit reinnehmen, und diese Kriterien muss man dann einfach Stück für Stück eben auch sich von den Dienstleistern einmal überprüft darstellen lassen, dass man sagt: Okay, wir haben es selber noch mal geprüft, eventuell haben sie es auch sogar noch mal mit Zertifikaten oder unabhängigen Prüfungen selber auch getestet. Ich würde eben trotzdem immer wieder noch parallel einen eigenen Test machen. Vielleicht hat man sogar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem in dem Bereich, die das machen können und sagen: Okay, ich kann mir das ganze auch nochmal anschauen, weil letztendlich muss irgendwann mal der Tag kommen, wo diese Website hier abgenommen wird. Im Sinne von, da wird gesagt: Okay, wir haben, die sind jetzt so weit fertig programmiert, und jetzt bitte sich einmal ansehen und im Zweifel einfach auch nicht abnehmen. Also, das ist etwas, was natürlich ungern getan wird, weil man natürlich Zeitdruck hat und die Webseite muss schnell online gehen, meistens, und dann hat man irgendwelche Fristen einzuhalten. Aber tatsächlich ist es so, dass man dort einen ganzen Strauß an Möglichkeiten hat, dort eben vorzugehen. Da gibt es also nicht nur die eine, eine Richtung oder die eine Maßnahme, und ich glaube, das ist etwas, was man auch viel strenger durchführen muss, wenn man selbst die Expertise hat. Das ist ein bisschen die Gefahr dabei, dass häufig Sachen eingekauft werden, von denen man selbst vielleicht auch gar nicht so sehr inhaltlich was weiß, und ich glaube, das ist so der Maßstab, an dem man sich ein Bisschen orientieren kann.
Dennis Bruder: Okay. Ähm, in dem Zusammenhang gibt's auch immer wieder bei uns die Nachfragen nach so, ich sag mal, einfachen technischen Lösungen wie Software Integration. In das Stichwort Stichwort Overlays fällt da immer wieder in der digitalen Barrierefreiheit, die man quasi in ne Website installiert und dann so Barrierefreiheitsfeatures hat und von den Anbietern da fallen dann auch immer so Stichworte wie WCAG konform und solche Sachen. Wie es denn das zu bewerten sind, solche einfachen Integrationen quasi gesetzeskonform? Also fülle ich dann schon die gesetzlichen Anforderungen an digitale Barrierefreiheit.?
Sven Niklas: Ja, das ist tatsächlich eine sehr intensive Debatte, die auch geführt wird. Da sind auch verschiedene Institutionen immer wieder dran, dieses Thema zu beantworten. Für uns als Bundesfachstelle Barrierefreiheit ist ja die Debatte darüber auch bekannt. Wir uns werden ja auch mal solche Tools vorgestellt oder ans Herz gelegt, dort sich mal zu äußern, also sowohl im Bereich von Overlay Tools als eben auch KI-Anwendung insgesamt, und ich würde die Frage so beantworten, dass diese Tools selbst, also sowohl die Overlay Sachen als auch die KI, eine Website selbst nicht bei ihre freimachen. Das muss man einfach mal so festhalten. Ich glaube, das ist auch eine Position, die man inzwischen technisch auch gut herleiten kann, sowohl juristisch als auch technisch, aber sie können dementsprechend natürlich als Hilfe eingesetzt werden. Das heißt also, es ist, ich plädiere immer dafür, wir brauchen eine technisch saubere, barrierefreie Lösung für die Website per se. Das ist erst mal die wichtigste Grundlage. Ich glaube, ohne ohne das geht es gar nicht, und man kann so ein Overlay Tool eher dann als Hilfsmittel sehen. Also ich würde so, ähm, die Geeignetheit dann durchaus auch sehen, weil man dann mit solchen Tools sicherlich Dinge machen kann, die man eventuell mit einer Tastatursteuerung oder mit den eigenen Anwendungen, die so ne Website bereithält, nicht unbedingt, ich sag mal so, serviceorientiert sofort griffbereit hat und man nicht alle Funktionen sofort findet. Aber man kann tatsächlich eben diese Tools dann nutzen, um sie als Hilfsmittel zu gebrauchen. Ich glaube, wenn man so dieses Zusammenspiel einmal verstanden hat, dann erübrigt sich auch die Debatte, weil ich glaube, so ist zumindest mein Stand bis heute. Wenn jetzt eine Website auf Barrierefreiheit geprüft wird, und die Seite wäre jetzt technisch nicht barrierefrei, nutzt dabei ein solches Overlay, dann würde die die Website am Ende bei der Prüfung durchfallen und sagen, die Website ist nicht barrierefrei. Und das ist aus meiner Sicht auch korrekt, weil man eben die Seite per Se nicht technisch barrierefrei hat, sondern man hat hat eben nur ein Hilfsmittel benutzt, was für gewisse Bereiche, vielleicht sogar auch für Kriterien zwar sinnvoll ist, das würde ich gar nicht in Abrede stellen, aber letztendlich ist es so, dass die die Website per Se eben nicht bei barrierefrei ist, und das glaube ich, auch eine klare Antwort dann auf die Frage.
Dennis Bruder: Hm, genau, zu dem Thema haben wir auch auf der Website der Beratungsstelle schon mal einen Artikel geschrieben, wenn man sich den durchlesen will oder vielleicht auch darauf referenzieren will. Es gibt aber auch ganz viele internationale Debatten, die man sich dazu mal durchlesen kann, und auch die Beratungsstelle des Bundes hat dazu mal einen Artikel geschrieben, der, ich weiß jetzt gar nicht, ob der noch online ist. Er war mal online, ist dann mal runtergenommen worden, vielleicht kommt er dann wieder online. Ähm, was wir in der Beratung auch immer wieder gefragt werden, ist ja, gibt's denn noch Übergangsfristen oder bis wann muss man denn eine Website barrierefrei haben oder alle PDFs? Und ja, gibt's vielleicht auch Ausnahmen? Also muss ich vielleicht das gar nicht machen.
Sven Niklas: Das ist natürlich eine Klassiker Frage, die immer wieder, immer wieder gestellt wird, ob es Übergangsfristen gibt oder wenn es keine mehr gibt, was man ja schon mal beantworten kann. Es gibt keine Übergangsfristen mehr. Also wir haben tatsächlich sozusagen jede Übergangsfrist sowohl im Bund als auch in den Ländern verstreichen lassen. Da sind wir voll in der in der gesetzlichen Vorgabe drin, und die Ausnahmen, wenn wir über Ausnahmen sprechen, sind vor allem mit dem Argument der unverhältnismäßigen Belastung heute noch vorstellbar. Gehen wir mal zurück zu der bayerischen Gemeinde. Aus dem Kontext kommen wir ja jetzt ja. Gerade das spricht dann zum Beispiel der Paragraf 9 Absatz 4 der BayDiV davon, dass öffentliche Stellen von einem barrierefreien Angebot im Sinne der Vorschrift im Einzelfall, ich betone noch mal, im Einzelfall absehen, soweit die Einhaltung der Barrierefreiheit Anforderungen eine unverhältnismäßige Belastung darstellt. Jetzt muss man sich vorstellen, eine unverhältnismäßige Belastung kann also nicht sein. Wir haben darauf keine Zeit, keine Kapazität oder auch, was gerne genutzt wird. Wir haben dafür kein Geld. Das sind also keine Punkte, die man als unverhältnismäßige Belastung so einfach ins Feld führen kann. Es gab durchaus auch schon Argumentation, die dann in eine andere Richtung gehen, aber da bin ich ganz klar an der Stelle, sondern es muss tatsächlich in einem Einzelfall erwiesenermaßen, das heißt, man muss sehr viel Energie aufwenden, um erst mal nachzuweisen, warum ich keine barrierefreie Lösung finde. Und es gibt in den meisten Bereichen, gerade in Bereichen der Website, inzwischen so viele Lösungen, die wirklich mit wenig, teilweise Kosten verbunden sind oder mit den typischen Kosten, die man sowieso hat, wenn man eine Website neu aufsetzt, dass es überhaupt kein Problem mehr darstellt, in diesem Bereich eigentlich voranzugehen. Man kann jetzt im Einzelfall dann wirklich überlegen. Dann möchte ich aber jetzt gar kein kein Fallbeispiel nennen, sondern das sollen dann die stellen sich dann auch wirklich gut überlegen, ob sie mehr Energie hineinsetzen in dem Bereich, diesen Einzelfall irgendwie darzulegen, als dass man sagt, okay, dann machen wir es einfach, weil ich letztendlich ist es eine Debatte auf dem Niveau, sollte man sie eigentlich gar nicht mehr führen. Aber die Vorschrift wurde natürlich reingenommen für genau den Bereich, dass es eben solche Fälle geben mag, und da sollte man sich dann ganz genau anschauen, ob das tatsächlich da runterfällt oder eben nicht, und wenn, du musst es ja sogar dann auch auf der Website belegt werden. Also man hat ja dann sogar die Möglichkeit nachzulesen, warum die Seite dann vielleicht in diesem einzelnen Fall das und das nicht umgesetzt hat.
Dennis Bruder: Ich nehme an, das ist auch wahrscheinlich rein deshalb schwer zu argumentieren, weil ja eben, wie sie es gerade schon genannt hatten, die ganzen Übergangsfristen schon seit längerer Zeit abgelaufen sind, also theoretisch selbst wenn man sagt, man hat jetzt irgendwie Personalnot oder ich meine, das Argument, wir haben es nicht mitbekommen, das Ziel halt auch schlecht, einfach in der Richtung genau.
Sven Niklas: Zwischen gibt es ja auch genau, und inzwischen gibt es ja eben auch die die turnusmäßige Überprüfung der Websites. Das heißt, man bekommt ja sozusagen auch irgendwann sogar mal Feedback, wenn man nichts gemacht hätte, dass man sagt, okay, die eigene Website ist immer noch nicht, bei jedem Fall, spätestens dann hätte man davon Kenntnis erlangt, auch wenn man natürlich als öffentliche Stelle viel früher darüber im Bild ist oder sein sollte.
Dennis Bruder: Ja, okay, das war es dann tatsächlich auch mit dem ersten Teil unserer Doppelfolge zu den Gesetzen und Standards zur digitalen Barrierefreiheit. Im zweiten Teil werden wir dann noch mal genauer auf die zukünftige gesetzliche Verpflichtung für den Privatsektor gehen, und da lohnt sich dann sicherlich auch nochmal das Reinhören.
Dennis Bruder (Outro mit Musikuntermalung): Das war es auch wieder mit dieser Folge von BarriereLos, dem Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Auch in diesem Jahr werden wir wieder regelmäßig mit Expertinnen und Experten zur digitalen Barrierefreiheit sprechen und versuchen, ihnen das Thema praktisch näherzubringen. Wenn Sie also auf dem laufenden bleiben wollen, können sie entweder unsere Podcast direkt folgen oder unseren Newsletter abonnieren. In unseren Newsletter schreiben wir zusätzlich zum Hinweis auf unseren Podcast einmal im Monat einen Fachartikel, wir verweisen auf Veranstaltungen und verlinken weitere externe und interessante Fachartikel. Kommen sie also auf unserer Webseite www.beratungsstelle-barrierefreiheit.de und folgen sie uns. Dann bis zur nächsten Folge von BarriereLos!
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