31.05.2023

Was ist das Zwei-Sinne-Prinzip?

Digitale Barrierefreiheit

Frau mit Augenbinde vor dem Computer

Das Zwei-Sinne- oder Mehr-Sinne-Prinzip ist ein Konzept, nach dessen Logik Informationen und Inhalte durch mindestens zwei verschiedene Sinne angesprochen werden. So können auch Menschen mit Sinneseinschränkungen alle Informationen wahrnehmen.

Wie funktioniert das Zwei-Sinne-Prinzip?

Das Zwei-Sinne-Prinzip basiert auf der Überlegung, dass Menschen mit Behinderungen unterschiedliche Sinneswahrnehmungen haben können. Dies betrifft die Sinne des Sehens und des Hörens, aber auch der Tastsinn kann einbezogen werden.

Das Prinzip fordert, dass Informationen und Inhalte in mindestens zwei dieser Sinneswahrnehmungen verfügbar sein sollten, um Barrierefreiheit zu gewährleisten. So können Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen auf dieselben Informationen und Möglichkeiten zuzugreifen wie Menschen ohne Beeinträchtigung.

Anwendungen des Zwei-Sinne-Prinzips

Das Zwei-Sinne-Prinzip findet in verschiedenen Bereichen der Barrierefreiheit Anwendung. Gehen wir beispielsweise von einer Person aus, die Farben nicht gut voneinander unterscheiden kann. Für diese Person gilt in der Barrierefreiheit das Prinzip, dass Informationen nicht ausschließlich durch Farben vermitteln sollten.

Ein Beispiel hierfür wäre der Onlinestatus einer Person in einem Chat-Tool. Ein grüner Punkt neben dem Namen einer Person bedeutet "Online", ein roter Punkt bedeutet "Offline". Für Menschen mit einer Rot-Grün-Schwäche ist dies nicht wahrnehmbar. 

Grafische Darstellung des Offline oder Onlinestatus von Erika Mustermann und Max Mustermann durch die Farben Rot und Grün. Erklärung im Text.

Mögliche Lösung: Man sollte also nicht nur den Sinn Farbwahrnehmung ansprechen, sondern alternative Wege suchen. Möglich wäre den Online- bzw. Offline-Status in Text zu überführen oder eine Formveränderung des Punktes in Form eines Kreuzes für "Offline" oder Häkchens für "Online" vorzunehmen.

Weitere Anwendungsbeispiele für das Zwei-Sinne-Prinzips sind unter anderem:

  1. Untertitelung von Videos: Durch die Hinzufügung von Untertiteln zu Videos können Menschen mit Hörbeeinträchtigungen den gesprochenen Inhalt lesen und verstehen. Gleichzeitig können Menschen ohne Hörbeeinträchtigungen den Ton hören und den Inhalt des Videos verstehen. Die Kombination von visuellen und auditiven Informationen ermöglicht es einer breiten Palette von Menschen, den Inhalt zu erfassen.
  2. Gebärdensprachdolmetschung: Gebärdensprache bietet Gehörlosen und hörbeeinträchtigten Menschen die Möglichkeit, gesprochene Sprache visuell zu erfassen. Durch die Einbindung von Gebärdensprachdolmetschern bei öffentlichen Veranstaltungen, in Bildungseinrichtungen oder im Fernsehen wird das Zwei-Sinne-Prinzip angewendet, da nicht nur der Hörsinn adressiert wird.
  3. Haptische Informationen: Für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen können haptische Informationen von großer Bedeutung sein. Taktile Beschilderungen, Brailleschrift oder taktile Grafiken ermöglichen es ihnen, Informationen durch den Tastsinn zu erfassen und zu verstehen. 

Die Auswirkungen 

Denkt man das Zwei-Sinne-Prinzip konsequent zu Ende, hat dies nicht nur Auswirkungen auf einzelne Aspekte in der Informationsvermittlung, sondern auch strategische Konsequenzen. Will man beispielsweise eine Kontaktmöglichkeit auf einer Webseite hinterlegen, reicht es nach dem Zwei-Sinne-Prinzip nicht aus, nur einen Telefonkontakt zu hinterlegen. Dieser wäre für gehörlose Menschen nicht nutzbar. Man sollte also mindestens eine Alternative bieten, wie die Möglichkeit eine E-Mail zu schreiben oder noch besser, eine Chat-Möglichkeit anbieten.

Neben der Auswirkung auf die Benutzerführung hat eine solche Entscheidung also auch Einfluss auf Prozesse im Unternehmen. Dementsprechend müssten auch schon Entscheidungen in Management getroffen werden, damit der Kundenprozess über die Webseite überhaupt so abgewickelt werden kann.

Text geht immer

Ist man sich nicht hundertprozentig sicher, wie man einen ausgefallenen Sinn in der Informationsvermittlung kompensieren kann, ist folgender Leitsatz hilfreich: Text geht eigentlich immer.

Text hat den Vorteil, dass er sowohl für Menschen visuell wahrnehmbar-, als auch für Menschen mit einer Seheinschränkung durch Programme vorlesbar ist. Auch komplexere Bildbeschreibung, wie beispielsweise die Beschreibung von Organigrammen oder Anfahrtsbeschreibungen anstatt einer Landkarte, können durch die Verwendung von Text eine visuelle Einschränkung kompensieren.

Fazit

Das Zwei-Sinne-Prinzip der Barrierefreiheit stellt sicher, dass Informationen und Inhalte für Menschen mit verschiedenen Sinneswahrnehmungen zugänglich sind. Es berücksichtigt die Vielfalt von Beeinträchtigungen und bietet zudem die Möglichkeit, selbst Lösungswege für Probleme zu entwickeln, auch wenn diese noch nicht durch Barrierefreiheitsstandards abgedeckt sind.

Dieses Prinzip hat aber Vorteile für alle: es bietet nämlich die Möglichkeit, auf die individuellen Präferenzen aller Nutzenden bei der Informationsvermittlung einzugehen. Viele Menschen schauen Videos beispielsweise lieber mit Untertiteln als mit Ton. Andere hören sich einen Text lieber an als ihn zu lesen.

Setzt man das Zwei Sinne Prinzip also konsequent um, steigert es auch die Qualität der Informationsvermittlung.

Autorin: Stiftung Pfennigparade

 

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