08.03.2022

Screenreader versus Web Reader - Wo ist der Unterschied?

Digitale Barrierefreiheit

Computer können Texte heutzutage recht gut vorlesen, inzwischen auch mit nicht mehr allzu unangenehmen Stimmen. Das funktioniert eingebauten Tools wie Cortana oder Siri, die ins Betriebssystem integriert sind. Auch auf Webseiten finden sich oft Play Buttons und Systeme wie der Readspeaker. Diese befinden sich zumeist oberhalb des Textes und lesen dem Besucher den Text auf der Seite vor.

Ein blinder Mann sitzt mit einem Headset am Tisch und tippt an einer Spezialtastatur

Foto: Stiftung Pfennigparade

Ist blinden Menschen damit ausreichend geholfen, also brauchen spezialisierte Programme wie die Screenreader NVDA und Jaws nicht mehr? Doch, Screenreader werden weiterhin benötigt. Im Gegensatz zu den Vorleseprogrammen geben Sie auch Informationen wieder, die sehende Menschen rein über die Optik erfassen. Diese Informationen sind oft wesentlich für das Verständnis.

Wiedergabe von Text: Braillezeile und Web Reader

Als blinder Mensch hat man mehrere Möglichkeiten die Inhalte einer Webseite zu erfassen. Mit der Braillezeile kann man die Ausgabe einer Webseite haptisch auf der Tastatur ausgeben lassen. Die Informationen für die sogenannte Blindenschrift bezieht diese Spezialtastatur aus dem Code der Webseite.

Inhalte kann man sich aber auch vorlesen lassen. Hierfür kann man das Voice Over des Betriebssystems nutzen oder Web Reader (andere Bezeichnungen sind Website Reader, Page Reader).

Web Reader werden direkt in die Webseite integriert. Sie werden mittels Integration in das Content Management System installiert (zumeist via Plugin) und sind zumeist kostenpflichtig. Die bekanntesten Web Reader sind:

Die Bedienung und Ausgabe eines Web Readers befindet sich im Frontend der Webseite und lässt sich mittels Play Button aktivieren. Der Text des Inhaltsbereiches wird darauf vorgelesen.

Mehr zu den Bedienungsarten für blinde Menschen sehen Sie in unserem Handicap Hacks Video:

https://www.youtube.com/watch?v=fURd861uBIg&t=50s

Screenreader lesen  Code

Blinde Menschen nutzen fast ausnahmslos Screenreader. Das sind installierte Programme auf PC oder Mac, die zusätzlich zum Text semantische Informationen der Webseite wiedergeben. Man erfährt also, ob man sich im Menü, über einem klickbaren Element oder in einer Textpassage befindet. Und innerhalb eines Textes lässt sich differenzieren: Überschriftenebenen kann man von normalem Text oder Hyperlinks abgrenzen. Die Informationen dazu stecken im HTML Code und können mittels Editor ausgezeichnet werden.

Der HTML-Code zum vorangegangenen Textabschnitt lautet also folgendermaßen:

 

<h2> Screenreader lesen nicht Text sondern Code</h2>

<p>Blinde Menschen nutzen fast ausnahmslos <a

href=“https://de.wikipedia.org/wiki/Screenreader“ Screenreader</a>.</p>

Diese zweite Überschriftebene und der normale Textabschnitt werden erkannt und entsprechend vorgelesen. Diese Art von Information sind für blinde Menschen entscheidend, um die Inhalte korrekt zu verstehen und sich innerhalb eines Webauftrittes zu orientieren.

Auch Informationen, die über Bilder kommuniziert werden, werden von einem Screenreader erkannt und vorgelesen – also vorausgesetzt es ist ein sinnvoller Alternativtext für das Bild eingetragen. Mehr zu Alternativtexten erfahren Sie im Artikel „Wie erkennen blinde Menschen Bilder?“.

Neben Webseiten finden sich Screenreader aber auch in Benutzeroberflächen wie Windows, in Programmen bzw. Apps oder Dokumenten zurecht, solange diese barrierefrei gestaltet sind. Die verbreitetsten Programme sind NVDA (kostenfrei) und   JAWS.

Was wird in der digitalen Barrierefreiheit verlangt?

Neben anderen Anforderungen verlangt die BITV, dass eine Webseite so gestaltet sein muss, dass sie über einen Screenreader ausgelesen werden kann. Sowohl Programmierer*innen als auch Redakteur*innen sollten also darauf achten, sowohl die Programmierung als auch die Inhalte darauf auszurichten, die Elemente korrekt und barrierefrei zu gestalten.

Die Integration eines Web Readers wiederum wird nicht verlangt.

Sind die Web Reader also nutzlos?

Das hängt ganz von der Zielgruppe ab. Sie bieten nämlich auch Vorteile:

Als Nutzer*in einer Webseite muss man nicht extra ein Programm installieren, um sich die Inhalte eines Textes vorlesen zu lassen. Die Reader sind direkt auf der Webseite integriert und zumeist nutzerfreundlich am oberen Ende einer Textpassage platziert.

Vor allem Menschen, für die die Informationsaufnahme über Text anstrengend ist, profitieren davon. Sie können sich einen längeren Text  parallel zum Lesen vorlesen lassen, und ihm so leichter folgen. Das hilft Menschen mit kognitiven Einschränkungen, Menschen, die eine andere Muttersprache haben und Menschen mit Konzentrationsstörungen gerade bei längeren und unübersichtlichen Textpassagen.

Unsere Empfehlung

Webreader kann man als Überfüllung der Anforderung an digitale Barrierefreiheit betrachten. Sie sind gesetzlich nicht gefordert, schaden aber auch nicht und helfen manchen Zielgruppen dabei, Inhalte zu verstehen. Je nach Zielgruppe ist es auch eine kluge Entscheidung, um Informationen besser verständlich darzustellen.

Autorin: Stiftung Pfennigparade

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