11/2024 Alle reden über Nachhaltigkeit – wo stehe ich?
Klimaschutz
Planende haben schon heute durch ihre Ausbildung, ihre berufliche Rolle und Erfahrung einen Großteil der erforderlichen Qualifikationen, die es im Bereich des nachhaltigen Planen, Bauens und Bilanzierens zu leisten gilt. Sie sind also prädestiniert, die Aufgaben der Nachhaltigkeits-Koordination, -Zertifizierung, -Ökobilanzierung oder die Antragsberechtigung für Förderungen rund um Nachhaltigkeit und Energieeffizienz auszuführen und sich diese Position am "Markt" zu sichern. Denn Nachfrage ist vorhanden, nicht zuletzt wegen der Umstellung der KfW-Förderbedingungen für Neubauten und der künftig wahrscheinlich verbindlichen Einführung von Lebenszyklusanalysen (LCA) und Ökobilanzierungen durch die europäische Energieeffizienz-Richtlinie (EPBD). Im Folgenden finden Sie weitere Informationen zu diesem Thema.
Wie können unterschiedliche Qualifikationen im Bereich der Nachhaltigkeit für Architekt*innen (A*), Innenarchitekt*innen (IA*), Landschaftsarchitekt*innen (LA*), Stadtplaner*innen (Stpl*) aussehen?
Viele Tätigkeitsfelder im Bereich der Nachhaltigkeit und Energieberatung beim Planen, Bauen und Nutzen von Gebäuden, erfordern Nachweise zu Fort- und Weiterbildung, zu vorhandener Expertise und Praxiserfahrungen oder zu Eintragungen in Listen bei verschiedenen zuständigen Koordinierungsstellen. Andere können aufbauend auf die eigene Expertise und die Erfahrungen im Bereich des nachhaltigen Planen und Bauens ohne weitere Qualifikation oder Listeneintragung durchgeführt werden.
Nachhaltiges Planen und Bauen
Aufbauend auf die eigene Expertise und Erfahrung im Bereich des nachhaltigen Planens und Bauens sowie vorhandene frei zugängliche Informationsmöglichkeiten, Leitfäden, Vorträge, Beratungen etc. können und sollten Planende grundsätzliche Nachhaltigkeitsziele bei jedem Projekt berücksichtigen, u.a. Suffizienz, Bestandserhalt, Kreislauffähigkeit, reduzierte Flächenversiegelung, Umnutzungsszenarien, Ressourcenschonung, Einsatz erneuerbarer Energien, Schadstoffarmut, Barrierefreiheit, Generationsgerechtigkeit, Gebäudebegrünung, Starkregenvorsorge. Umfassende Informationen und kostenfreie Beratung dazu finden Sie bei der Beratungstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit (BEN) sowie in den "Weiterführenden Links" am Ende dieses Beitrags.
Berechtigungen nach AVEn/BayBO
A*, LA*, IA*, Stpl.* sind im Rahmen ihrer jeweiligen Bauvorlagenberechtigung dazu berechtigt, die Erfüllungserklärung des Gebäudeenergiegesetztes (GEG) zum Bauantrag und Energieausweise nach Fertigstellung der Gebäude auszustellen. Dies ist in §5 AVEn (Verordnung zur Ausführung energiewirtschaftlicher Vorschriften in Bayern) mit Bezug zu Art. 61 BayBO festgeschrieben.
Nachhaltigkeits-Koordinator*innen der BAK
Nachhaltigkeitskoordinator*innen der BAK sind Personen, die mittels eigener Expertise und Erfahrung oder auch durch Fort- und Weiterbildung bei den Länderkammern einen Wissensstand erreicht haben, der befähigt, verlässlicher Lotse u.a. durch die Themen- und Handlungsbereiche des nachhaltigen Planen und Bauens, die verschiedenen Förderszenarien, die Bilanzierungsmöglichkeiten und der nachhaltigen Baukultur zu sein. Die Eintragung erfolgt über einen Qualifikationsprüfung, der eine Weiterbildung bei den Länderkammern vorangestellt werden kann. Die Liste des Bundesregisters Nachhaltigkeit soll zukünftig belastbarer Qualitätsnachweis für weitere Arbeitsbereiche/Qualifikationen von A*, IA*, LA*, Stpl* werden.
Energieberatung
Die Bezeichnung "Energieberatung“"ist an sich kein geschützter Begriff. Im Zusammenhang mit Förderungen ist aber ein Eintrag in entsprechende Listen notwendig, zu der i.d.R. entsprechende Fort- und Weiterbildung nachgewiesen werden müssen. Erst dann ist eine Listung bei den zuständigen Stellen möglich, z.B. Energie-Effizienz-Expertenliste für die BEG Förderungen (Bundesförderungen für energieeffiziente Gebäude).
Energieberater*in KfW/Bafa/vor Ort
Fort- und Weiterbildung, u.a. bei der ByAK, sind notwendig zur Eintragung in die "Energie-Effizienz-Expertenliste" des Bundes. Die Weiterbildung zur Ökobilanzierung ist momentan verbindlich für die Antragsberechtigung von Neubau-Förderungen – ab 2025 wird die Weiterbildung zur Ökobilanzierung voraussichtlich aber auch verbindlicher Bestandteil der allgemeinen Eintragung in die Energie-Effizien-Expertenzliste.
Folgende Fort- und Weiterbildungen sind u.a. Voraussetzung für die Eintragung: Energieberatung Wohngebäude/Ökobilanzierung/Energieberatung Nichtwohngebäude/Energieberatung Bauen im Bestand und erhaltenswerte Bausubstanz.
Bayerische Sachverständige nach AVEn §4
In Bayern müssen Ausnahmen und Befreiungen vom GEG und weiteren energierechtlichen Gesetzgebungen durch Sachverständige nach AVEn §4 geprüft und bestätigt werden. Sachverständige werden u.a. mit dem Nachweis von Praxiserfahrungen in den Listen der Bayerischen Ingenieurekammer und der Bayerischen Architektenkammer eingetragen (weitere Informationen unter diesem Link).
Gebäudezertifizierungen, QNG
Gerade im Rahmen der Bundesförderungen der KfW zu klimafreundlichen Neubauten spielen Gebäudezertifizierungen und das Qualitätssiegel Nachhaltige Gebäude (QNG) eine verbindliche Rolle um die erhöhte KfW-Förderstufe für Neubauten in Anspruch nehmen zu können. Vier Zertifizierungssysteme sind momentan bei der KfW anerkannt:
- DGNB – Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
- BNB – Bewertungssystem nachhaltiges Bauen
- BiRN – Bau-Institut für Ressourceneffizientes und Nachhaltiges Bauen
- NaWoh – Qualitätssiegel nachhaltiger Wohnungsbau
Um solche Zertifizierungen ausstellen zu können, bedarf es der Fortbildung bei den entsprechenden Zertifizierungsstellen (DGNB, BNB, BiRN) oder der Durchführung und Anerkennung von Gebäude-Zertifizierungen nach einem bestimmten System (NaWoh).
Wettbewerbsvorteile für "nachhaltige Büros"
Nachhaltigkeitsaspekte in Büros und Unternehmen können auf verschiedene Weise relevant sein und nach Außen wie Innen getragen werden. Sie können zukünftig Wettbewerbsvorteile einbringen, vor allem aber spielen sie im Bereich des Klimaschutzes in verschiedenen Wirkungsbereichen eines Büros eine Rolle.
EU Taxonomie
Bei größerem Auftragsvolumen und Projekten können durch die EU Taxonomie, z.B. Nachhaltigkeitsanforderungen in der Auftragskette entstehen, die auch Auswirkungen auf Architekturbüros haben können.
Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Taxonomie und ESG auf die Immobilienbranche und Planungsbüros finden Sie im BEN-Blog 07/2024 sowie im aktuellen Leitfaden der Bundesarchitektenkammer.
Strategie zur Klimaneutralität aufstellen!
Darüber hinaus ist es ratsam u.a. Prozesse, Abläufe und Produktionsbereiche hinsichtlich der anfallenden Treibhausgasemissionen und einer möglichen Energie- und CO2-Einsparung zu untersuchen. Auf dieser Basis kann ein Büro strategisch zukunftsorientiert aufgestellt werden, z.B. in dem gut erreichbare bis ambitionierte Jahresziele zur CO2-Einsparung angegangen werden (weniger Papierverbrauch, Umstellung auf Ökostrom, Mitarbeiter-Ticket ÖPNV, Einführung Job-Rad, weniger Business-Flugreisen, Suffizienz in der Büroflächennutzung etc.). Die gesetzten Ziele sowie deren Einhaltung zur Einsparung und Optimierung lassen sich anschließend öffentlichkeitswirksam in CO2-Berichten nach Außen tragen. Büros können auch Schwerpunkte in den Arbeitsbereichen der Nachhaltigkeit aufbauen (z.B. Bauen im Bestand, Holzbau, kreislauffähiges Bauen).
Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen an "nachhaltige" Büros, u.a. die Erstellung eines CO2-Fußabdrucks in den drei verschiedenen Bereichen (Scope 1-, Scope 2-, Scope 3-Emissionen), die Durchführung des DNK (Deutscher Nachhaltigkeits-Kodex) oder die Bilanzierung gemäß der Gemeinwohl-Ökonomie.
Auch die Bayerische Architektenkammer hat eine eigene Strategie bis 2031 klimaneutral zu werden.
Büro und Mitarbeiter*innen fit machen!
Darüber hinaus ist es wichtig das gesamte Büro und die Mitarbeiter für die Nachhaltigkeits- und Zukunftsthemen fit zu machen, z.B. Kreislauffähigkeit, Lebenszyklusbilanzierungen, ökologische Materialwahl, Klimaanpassung, Klimaschutz. Das heißt nicht, dass alle Mitarbeitenden alle Aufgaben bis ins Detail durchführen können oder umfassende Qualifikationen für die unterschiedlichen Themenbereiche besitzen müssen. Es geht darum, die Themen der Nachhaltigkeit in allen Planungs- und Bauphasen im Blick zu haben und entsprechende Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit treffen zu können, zum richtigen Zeitpunkt Expert*innen in den Prozess zu integrieren oder Bauherr*innen projektorientiert in allen Themenbereichen der Nachhaltigkeit beraten zu können.
Hierfür können Büros z.B. die kostenfreien BEN@work-Formate buchen, die in ca. 90 Minuten eine spezifische Themenübersicht bieten und Rückfragen zulassen, u.a. zu den Themenbereichen: klimagerechte Gebäude, kommunaler Klimaschutz, Klimaanpassung, wassersensibles Planen und Bauen sowie Bauen im Bestand. Die BEN@work-Formate sind kostenfrei und neutral und können über die BEN angefragt werden: www.byak-ben.de, ben@remove-this.byak.de, T: 089 139880 88
Oder auch die vertiefende ByAK-Fortbildung zur "Nachhaltigkeitskoordination" (40 UE) bzw. zur Eintragung ins Bundesregister Nachhaltigkeit der Bundesarchitektenkammer (siehe oben) können als hilfreiche Fortbildung von Mitarbeitenden dienen, neben den anderen Fortbildungen der Akademie der ByAK in diesen Themenbereichen.
Kostenfreies Webseminar der BEN am 28.11.2024
Am Donnerstag, den 28.11.2024 von 16:30–18:00 Uhr findet das kostenfreie BEN-Update "Qualifikation Nachhaltigkeit für Planer*innen und Büros" statt. Prof. Clemens Richarz (1. Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer), Petra Wurmer-Weiß (Beratungsstelle Energieeffizienz und Nachhaltigkeit – BEN), Loni Siegmund (Nachhaltigkeitsexpertin) und Kathrin Valvoda (Referentin der BEN) informieren zu all diesen Themen und Qualifikationsmöglichkeiten und stehen für Fragen zur Verfügung.
Autorin: Kathrin Valvoda
Weiterführende Links
- Leitfaden "Nachhaltigkeit gestalten", kostenfreier Download
- Kostenfreie BEN-Updates
- Kostenfreie BEN-Beratung
- Kostenfreie Beratung zu Barrierefreiheit
- Leitfaden AK Berlin zu Kreislauffähigkeit
- Leitfaden Landesanstalt für Umwelt Baden Württemberg
- klimagerechter Städtebau (StMB)
- Stadt Klima Natur (StMUV)
- Wassersensible Siedlungsentwicklung (StMUV)
- Schwammstadt Bayern
[Die Links wurden zuletzt am 05.11.2024 geprüft]