03/2025 Robuste Gebäudetechnik in der Sanierung – der Schlüssel zu nachhaltigen und zukunftssicheren Mehrfamilienhäusern
Planen und Bauen

Mit einem Anteil von rund einem Drittel des Gesamtendenergieverbrauchs in Deutschland für die Versorgung mit Wärme und Warmwasser ist die Energiewende auch eine Wärmewende. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass etwa 65% aller Wohngebäude vor Einführung der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 erbaut wurden. Um das ambitionierte Ziel der Bundesregierung einer klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2045 zu erreichen, stehen vor allem die Worte "Vollsanierung" und "erneuerbare Energien" im Raum.
Was bei Einfamilienhäusern dank geringerer technischer Anforderungen und günstiger baulicher Voraussetzungen (Stichwort: Platz) oft einfach lösbar ist, stellt Mehrfamilienhäuser vor deutlich größere Herausforderungen. Hier treffen höhere Energiebedarfe auf wenig Platz und komplexere technische Systeme. Genau an diesem Punkt wird das Thema "robuste" Gebäudetechnik relevant – eine Strategie, die nicht nur auf Nachhaltigkeit setzt, sondern auch NutzerInnenfreundlichkeit und Langlebigkeit in den Vordergrund stellt.
Was bedeutet "robuste Gebäudetechnik" und warum ist sie sinnvoll?
Robuste Gebäudetechnik umfasst langlebige, wartungsarme und einfach bedienbare Systeme, die zuverlässig funktionieren, ohne auf komplexe Steuerungen angewiesen zu sein.
Moderne Wohngebäude sind heute oft so ausgelegt, dass das Eingreifen der NutzerInnen auf ein Minimum reduziert wird. Zentrale Steuerungen regeln die Raumtemperaturen, während mechanische Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung automatisch für vortemperierte Frischluft sorgen. Doch mehr Automatisierung bedeutet nicht automatisch eine bessere Performance – hier zeigt sich der "Performance Gap": Die erhofften Effizienzgewinne durch Technik werden in der Praxis oft nicht erreicht. Denn viele Menschen öffnen trotz mechanischer Lüftung die Fenster, weil sie sich intuitiv frische Luft wünschen – was wiederum unnötige Wärmeverluste verursacht. [1]
Haben BewohnerInnen jedoch direkten Einfluss auf das Raumklima, hat das interessanterweise psychologische Vorteile: Menschen, die Räume selbst über Fenster lüften können, akzeptieren stärkere Temperatur- und Feuchteschwankungen als in mechanisch belüfteten Räumen.
Daher ist robuste Gebäudetechnik nicht nur eine Frage der Langlebigkeit, sondern auch der NutzerInnenfreundlichkeit. Sie sollte so gestaltet sein, dass sie Effizienz und Komfort durch Einfachheit vereint, ohne den Bewohnern das Gefühl zu nehmen, ihr Raumklima selbst zu steuern.
Was bedeutet das Konzept für den Sanierungsfall?
Ein entscheidender Schlüssel für eine robuste und einfache Sanierung der Gebäudetechnik ist, mit dem zu arbeiten, was bereits vorhanden ist. Dadurch wird der Umbau nicht nur weniger komplex und kostengünstiger, sondern auch deutlich schneller umgesetzt – ein großer Vorteil, insbesondere wenn das Gebäude während der Sanierung bewohnt bleibt.
Doch es geht nicht nur um den finanziellen und zeitlichen Aspekt. Jede Sanierung verbraucht Ressourcen – sei es für neue Heizkörper, Rohrleitungen oder Wärmeerzeuger. Dabei wird oft übersehen, dass auch die Bausubstanz selbst von der Umrüstung betroffen ist: Ist es notwendig Wände aufzureißen oder Böden neu zu verlegen, steigt nicht nur der Materialaufwand, sondern auch der Einsatz "grauer Energie" – also der Energie, die bereits in den Baustoffen steckt. Eine Sanierung, die möglichst viele bestehende Ressourcen erhält, ist deshalb nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks der Sanierung.
Lösungsansätze für Mehrfamilienhäuser
1. Zentrale oder dezentrale Wärmeversorgung:
Ein großer Teil des Gebäudebestands nutzt eine dezentrale Wärmeversorgung. Um zukunftsfähige Gebäude zu erhalten, empfiehlt sich der Umstieg auf ein wassergeführtes Verteilernetz mit zentraler Wärmeerzeugung. Dabei lässt sich bei Gasetagenheizungen das bestehende Leitungsnetz mitsamt Heizkörpern weiter nutzen. Schwieriger ist die Umstellung bei Gebäuden mit Nachtspeicher- oder Gaseinzelöfen, da hier erst neue Leitungen und Heizkörper installiert werden müssen. Dabei ist es ratsam, die Leitungsführung zugänglich für Wartung und zukünftige Veränderungen zu gestalten – beispielsweise durch revisionierbare Sockelleisten oder Aufputzlösungen [2]. Eine einfache Möglichkeit zur vertikalen Leitungsführung bietet sich oft durch alte, ungenutzte Schornsteine.
2. Wohnungsübergabestation als clevere Lösung:
Werden Gasetagenheizungen ausgetauscht und durch einen zentralen Wärmeerzeuger ersetzt, sind Wohnungsübergabestationen eine clevere Lösung. Dadurch kann auf eine zentrale Warmwasserspeicherung verzichtet werden, es entfallen Zirkulations- und Speicherverluste und das Legionellenrisiko sinkt.
3. Wärmepumpen als Schlüsseltechnologie
Wärmepumpen sind die Schlüsseltechnologie für eine klimaneutrale Wärmeversorgung. Sie erzeugen nutzbare Wärme aus Umweltenergien gespeichert in Luft, Wasser oder dem Erdreich und sind nahezu emissionsfrei, wenn sie mit grünem Strom betrieben werden. Hartnäckige Vorurteile, dass Wärmepumpen nur in Vollsanierungen und mit Fußbodenheizung funktionieren, widerlegen mehrere Studien [3]. Viele Bestandsgebäude lassen sich auch mit weniger tief eingreifenden Sanierungen effizient mit Wärmepumpen beheizen – oft sogar mit den vorhandenen Heizkörpern. Um die Effizienz zu steigern, können wo notwendig einzelne Heizkörper mit zu geringer Leistung gezielt ausgetauscht und vergrößert werden.
4. Wärmenetze als Alternative zur Wärmepumpe
Ist der Einsatz einer Wärmepumpe aufgrund von baulichen oder technischen Einschränkungen mit zu hohem Aufwand verbunden, bietet sich ein Anschluss an ein Wärmenetz an. In städtischen Gebieten sind dies häufig große Fernwärmenetze, in ländlicheren Gebieten können dies auch lokal betriebene, kleinere Wärmenetze sein. Durch die geplante Klimaneutralität im Energiesektor werden Wärmenetze zukünftig aus Geothermie, Abwärme, Biomasse oder Großwärmepumpen gespeist. Das hohe Temperaturniveau der Wärmenetze, ähnlich dem eines Gaskessels, erlaubt ohne viel Umbauaufwand eine Weiternutzung der bestehenden Heizungsinfrastruktur in den Gebäuden.
5. Einfach Maßnahmen zur Effizienzsteigerung
Neben der Wahl des Wärmeerzeugers gibt es weitere einfache und kostengünstige Maßnahmen, um die bestehende Heizungsanlage effizienter zu machen.
- Hydraulischer Abgleich und Einstellung der Heizkurve: Dabei wird sichergestellt, dass das Heizwasser gleichmäßig und bedarfsgerecht in alle Räume verteilt wird. Dadurch wird nicht nur der Wohnkomfort erhöht, sondern auch der Energieverbrauch gesenkt.
- Moderne Heizungspumpe: Der Einbau einer hocheffizienten Umwälzpumpe reduziert den Stromverbrauch der Heizung – im Gegensatz zu alten Modellen kann bis zu 80% Pumpenergie eingespart werden
6. Natürliche Lüftung + mechanische Badabluft für den Feuchteschutz
Eine natürliche Fensterlüftung sollte auch im Sanierungsfall erhalten bleiben. Werden zugige Bestandsfenster im Rahmen der Sanierung ausgetauscht, ist es sinnvoll, Fensterfalzlüfter einzubauen. In Kombination mit einer mechanischen Abluft im Badezimmer mit Feuchtesensor lassen sich Feuchtigkeitsprobleme vermeiden.
7. Bewusster Umgang mit Energie
Alle Maßnahmen bringen am Ende aber keinen Effekt, wenn die Gebäude nicht richtig genutzt werden. Fünf Minuten Stoßlüften sind effektiver und verursachen weniger Wärmeverluste als stundenlang gekippte Fenster. Ein Heizungsventil auf Stufe 5 zu drehen, macht den Raum nicht schneller warm, sondern führt nur zu unnötig hohen Raumtemperaturen. Zusätzlich sollte sich jeder selbst hinterfragen, ob die Wohnraumtemperatur im Winter wirklich 24 °C betragen muss, oder ob es nicht genügt, einen Pullover anzuziehen. Die Empfehlung lautet, Heizkörperventile in ungenutzten Räumen oder bei Abwesenheit gezielt herunterzudrehen. Eine bewusste Nutzung der Wohnung spart Heizenergie, ohne den Wohnkomfort einzuschränken.
Fazit
Schnell, pragmatisch und wirkungsvoll Um die Wärmewende im geplanten Zeitrahmen zu schaffen, kann jeder von uns einen Beitrag leisten. Der Fokus darf nicht länger auf der perfekten Vollsanierung mit hochkomplexer Technik liegen – sie ist oft zu teuer, langwierig und erzielt nicht die gewünschten Einsparungen. Stattdessen braucht es robuste, pragmatische und einfache Lösungen, die schnell und kostengünstig umgesetzt werden können, um die Sanierungsraten zu steigern. Der Schlüssel liegt in langlebigen, wartungsarmen und nutzerfreundlichen Maßnahmen, die sich effizient in den Bestand integrieren lassen, ohne unnötig Ressourcen zu verbrauchen. Nur so gelingt es, mehr Gebäude in kürzerer Zeit fit für eine klimaneutrale Zukunft zu machen – und die Wärmewende erfolgreich umzusetzen.
Autorin: Annalena Veit
Weiterführende Links
[1] Performance Gap; Re- und Prebound Effekt
[3] Wärmepumpen im Mehrfamilienhaus-Bestand
[Die Links wurden zuletzt geprüft am 27.02.2025]
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