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Ausgezeichnete barrierefreie Bauprojekte in Bayern

  • Zeitraum: Juni 2023
  • Beratungsschwerpunkt:
    • Planen & Bauen

Bei den Architektouren 2023 können am 24. und 25. Juni insgesamt 218 Gebäude, Städtebau- und Landschaftsgestaltungen besichtigt werden. Darunter befinden sich auch Projekte, die mit dem Titel „KlimaKulturKompetenz“ in der Kategorie Barrierefreiheit ausgezeichnet wurden.

Blick in den grünen, von Laubengängen umschlossenen Hof des Studenwohnheims, das mit einem kompletten barriefreien Geschoss sowie R-Wohnungen ausgestattet ist.
Die Erweiterung des Blindeninstitus in Regensburg (rechts im Bild) passt sich dem Bestandsgebäude (links) unter anderem durch die Fassadengestaltung aus Sichtmauerwerk an und wirkt ebenso unaufgeregt und als großer, flacher Bau in sich ruhend. Der Gehweg beinhaltet einen hellen Streifen als Leitsystem.
Verschiedene Sitzgelegenheiten umrahmen den Brunnen des neuen Veranstaltungsplatzes, an dem zwei Kinder spielen. Schwellenlos im Bodenbelag eingelassen, könnte er auch Rollstuhlfahrenden Erfrischung bieten und Spaß bereiten.

Rosenheim: Blick in den grünen, von Laubengängen umschlossenen Hof des Studenwohnheims, das mit einem kompletten barriefreien Geschoss sowie R-Wohnungen ausgestattet ist.

Architektur: ACMS Architekten GmbH, Wuppertal / Guggenbichler + Wagenstaller GbR (Statik Massivbau und Architektur ab LP 6), Rosenheim  

Foto: Sigurd Steinprinz

Deutschlandweit ist es immer am letzten Juniwochenende so weit: Dann öffnen sich zum „Tag der Architektur“ Türen und Tore jüngst fertiggestellter Bauprojekte, die der Öffentlichkeit oftmals nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind. In Bayern findet die Veranstaltung bereits seit 1996 unter der Bezeichnung Architektouren statt – die eingereichten und in einem Juryverfahren auserwählten Projekte können dann von Interessierten besichtigt werden. Das führt alljährlich zu einer erfreulich hohen Gesamtbesucherzahl von rund 20.000, mit steigender Tendenz. 

KlimaKulturKompetenz

Als wäre das nicht schon Erfolgsgeschichte genug, verleiht die Bayerische Architektenkammer in diesem Jahr die Auszeichnung KlimaKulturKompetenz. Dabei wurden in der Kategorie „KlimaKulturKompetenz – Barrierefreiheit“ erstmalig 17 Projekte gesondert gewürdigt.

Doch wie lässt sich ein Projekt – insbesondere bei mehr als hundert Büros, die sich um die Auszeichnung bewarben – überhaupt anhand eingereichter Unterlagen als „vorbildlich barrierefrei“ bewerten? Zumal „Barrierefreiheit“ je nach Art der Behinderung (Geh-/Sehbehinderung, Höreinschränkung, Blind-/Taubheit, kognitive Einschränkungen) immer einen eigenen Zugang zur Barrierefreiheit erfordert.  
Dem diesjährigen Beirat wurde ein je nach Kategorie unterschiedliches Expertenteam aus Prüferinnen und Prüfern vorgeschaltet, zum Thema barrierefreies Planen und Bauen waren es die Architekten Markus Donhauser und Armin Kraus, die als Experten auch für die Beratungsstelle Barrierefreiheit tätig sind. Sie haben die Baubeschreibungen und eingereichten Fotos genauer unter die Lupe genommen und mit sachkundigem Blick herausgelesen, was bedeutsam und besonders und somit entscheidend für die Endauswahl war.

Rosenheim: Blick in den grünen, von Laubengängen umschlossenen Hof des Studenwohnheims, das mit einem kompletten barriefreien Geschoss sowie R-Wohnungen ausgestattet ist.

Architektur: ACMS Architekten GmbH, Wuppertal / Guggenbichler + Wagenstaller GbR (Statik Massivbau und Architektur ab LP 6), Rosenheim
Blick in den grünen, von Laubengängen umschlossenen Hof des Studenwohnheims, das mit einem kompletten barriefreien Geschoss sowie R-Wohnungen ausgestattet ist.

Rosenheim: Blick in den grünen, von Laubengängen umschlossenen Hof des Studenwohnheims, das mit einem kompletten barriefreien Geschoss sowie R-Wohnungen ausgestattet ist. Architektur: ACMS Architekten GmbH, Wuppertal / Guggenbichler + Wagenstaller GbR (Statik Massivbau und Architektur ab LP 6), Rosenheim

Foto: Sigurd Steinprinz
Rosenheim: Bei Dämmerung strahlt das Studentenheim aufgrund seiner Außenbeuleuchtung von innen heraus.

Architektur: ACMS Architekten GmbH, Wuppertal / Guggenbichler + Wagenstaller GbR (Statik Massivbau und Architektur ab LP 6), Rosenheim
Blick bei Dämmerung von ganz oben in den Hof und auf die versetzt angeordneten Wohnriegel des Wohnheims, die aufgrund ihrer Außenbeuleuchtung von innen heraus leuchten.

Rosenheim: Bei Dämmerung strahlt das Studentenheim aufgrund seiner Außenbeuleuchtung von innen heraus. Architektur: ACMS Architekten GmbH, Wuppertal / Guggenbichler + Wagenstaller GbR (Statik Massivbau und Architektur ab LP 6), Rosenheim

Foto: Sigurd Steinprinz

„Entsprechend der Behinderungsart kann man die Projekte mit vier verschiedenen Brillen hintereinander betrachten, letztlich überzeugt aber die Gesamtheit der Maßnahmen und das Zusammenspiel mit der Architektur“, 

erläutert Donhauser. Er ist insbesondere von dem Projekt CampusRo in Rosenheim beeindruckt, auch weil es die Anforderungen an ein Studentenwohnheim übererfüllt: Neben optischer wie akustischer Brandmeldeanlage ist es beispielsweise mit einem komplett barrierefreien Geschoss ausgestattet, mit niveaulosen Übergängen zwischen Laubengang und Eingangstüren (0 cm Höhenunterschied) und zusätzlichen „R-Wohnungen“, die nochmals größere Rangierflächen als ein „normal-barrierefreies“ Appartement besitzen.

Grafrath: Das Walderlebnis in Grafrath leuchtet im Dunkeln durch seine Holzlamellenfassade. Eine flache Rampe führt zum Eingangstor.

Architektur: Meininghaus + Meßenzehl Architekten, München
Das Walderlebnis in Grafrath leuchtet im Dunkeln durch seine Holzlammelenfassade. Eine flache Rampe führt zum Eingangstor

Grafrath: Das Walderlebnis in Grafrath leuchtet im Dunkeln durch seine Holzlamellenfassade. Eine flache Rampe führt zum Eingangstor. Architektur: Meininghaus + Meßenzehl Architekten, München

Foto: Florian Holzherr
Grafrath: Sowohl innen barrierefrei gestaltet als auch inmitten der Waldlichtung niveaugleich erreichbar ist das Walderlebniszentrum ein Ort für alle.

Architektur: Meininghaus + Meßenzehl Architekten, München
Das rechts Foto zeigt den Innenraum mit Holzfußboden und Dachtragwerk, das linke eine Luftaufnahme über das Gebäude inmitten der Waldlichtung hinweg über Bäume gen Himmel.   Sowohl innen ist es barrierefrei gestaltet als auch von außen niveaugleich erreichbar.

Grafrath: Sowohl innen barrierefrei gestaltet als auch inmitten der Waldlichtung niveaugleich erreichbar ist das Walderlebniszentrum ein Ort für alle. Architektur: Meininghaus + Meßenzehl Architekten, München

Foto: Florian Holzherr

Auch das Walderlebniszentrum in Grafrath faszinierte ihn nicht allein architektonisch. Hier waren die niveaugleiche Erreichbarkeit, taktil wahrnehmbare Wegkanten, Treppendetails mit Handlaufweiterführungen und kontrastreiche Bedienelemente, aber auch die bauliche Vorbereitung für einen barrierefreien Arbeitsplatz ausschlaggebend. Gerade letzteres ist ein Pluspunkt, müssen doch nach derzeitiger Arbeitsstättenverordnung Arbeitsplätze erst dann barrierefrei gestaltet sein, wenn im Unternehmen Angestellte mit Behinderung arbeiten – was im Umkehrschluss sicher einer Jobvergabe an Menschen mit Behinderung entgegensteht.

Regensburg: Die Erweiterung des Blindeninstitus in Regensburg passt sich dem Bestandsgebäude unter anderem durch die Fassadengestaltung an.

Architektur: GEORG • SCHEEL • WETZEL ARCHITEKTEN GMBH, Berlin
Die Erweiterung des Blindeninstitus in Regensburg (rechts im Bild) passt sich dem Bestandsgebäude (links) unter anderem durch die Fassadengestaltung aus Sichtmauerwerk an und wirkt ebenso unaufgeregt und als großer, flacher Bau in sich ruhend. Der Gehweg beinhaltet einen hellen Streifen als Leitsystem.

Regensburg: Die Erweiterung des Blindeninstitus in Regensburg passt sich dem Bestandsgebäude unter anderem durch die Fassadengestaltung an. Architektur: GEORG • SCHEEL • WETZEL ARCHITEKTEN GMBH, Berlin

Foto: Stefan Müller
Regensburg: Die Erweiterung des Blindeninstitus in Regensburg passt sich dem Bestandsgebäude unter anderem durch die Fassadengestaltung an.

Architektur: GEORG • SCHEEL • WETZEL ARCHITEKTEN GMBH, Berlin
Blick durch den Wohnraum auf die Terrassen. Der Fußbodenbelag in einem dunklen rötlichen Farbton bildet einen Kontrast zu den hellen Schränken links und rechts und der grauen Möblierung wie etwa dem großen Tisch im Vordergrund.

Regensburg: Die Erweiterung des Blindeninstitus in Regensburg passt sich dem Bestandsgebäude unter anderem durch die Fassadengestaltung an. Architektur: GEORG • SCHEEL • WETZEL ARCHITEKTEN GMBH, Berlin

Foto: Stefan Müller

Einen von vornherein nochmals höheren Anspruch galt es bei der Erweiterung des Blindeninstituts in Regensburg umzusetzen. Die Stiftung richtet sich nicht nur an Seheingeschränkte oder gänzlich Blinde, sondern begleitet auch Menschen aller Altersgruppen mit weiteren, oftmals komplexen Behinderungen. Folglich müssen alle Belange und Nuancen barrierefreien Bauens nach DIN berücksichtigt werden:  

„Das betrifft die Orientierung, Beleuchtung, kontrastreiche Ausgestaltung, Schwellenlosigkeit und vieles mehr“,  

erläutert Armin Kraus – beeindruckt nicht nur vom Ergebnis, sondern auch von der diesbezüglich detaillierten Aufbereitung auf Planungsebene, einer „bemerkenswert tiefen Bearbeitung in Konzeption und grafischer Darstellung“. 

Emmering: Verschiedene Sitzgelegenheiten umrahmen den Brunnen des neuen Veranstaltungsplatzes, der Rollstuhlfahrenden wie auch Nicht-Gehbehinderten Erfrischung bieten und Spaß bereiten kann.

Landschaftsarchitektur: STADT RAUM PLANUNG, München
Verschiedene Sitzgelegenheiten umrahmen den Brunnen des neuen Veranstaltungsplatzes, an dem zwei Kinder spielen. Schwellenlos im Bodenbelag eingelassen, könnte er auch Rollstuhlfahrenden Erfrischung bieten und Spaß bereiten.

Emmering: Verschiedene Sitzgelegenheiten umrahmen den Brunnen des neuen Veranstaltungsplatzes, der Rollstuhlfahrenden wie auch Nicht-Gehbehinderten Erfrischung bieten und Spaß bereiten kann. Landschaftsarchitektur: STADT RAUM PLANUNG, München

Foto: Martina Schneider

Bei der Neugestaltung Neue Mitte in Emmering als Platz mit Veranstaltungsfläche fanden sich insbesondere für die vielfältigen Sitzmöglichkeiten (teilweise mit Rückenlehne) und die Gestaltung des Brunnens lobende Worte. Letzterer kann bei Platzbedarf für Feste ausgeschaltet werden und ist dann auch mit Rollstuhl befahrbar. Aus einem unansehnlichen, trostlosen und mit Treppen versehenen Platz vor dem Bürgerhaus entstand ein barrierefreier, attraktiver Außenraum mit Aufenthaltsqualität.  

Dennoch wird immer erst ein Besuch vor Ort zeigen, wie gut es um die Barrierefreiheit bei einem Bauwerk, einer Landschaftsarchitektur oder einer Städtebaulösung tatsächlich steht. Daran erinnert auch Markus Donhauser, indem er je nach Projekteinreichung von wenig „belastbaren Grundlagen“ spricht.

Regensburg: Über eine Treppe bzw. Rampe mit Aufzug im Fechthof und weitere Lifte (rechts im Plan) kann der historische Saal nun barrierefrei erschlossen werden.

Architektur: Köstlbacher Miczka Architektur Urbanistik, Regensburg
Über eine Treppe bzw. Rampe mit Aufzug im Fechthof und weitere Lifte kann der historische Saal nun barrierefrei erschlossen werden.

Regensburg: Über eine Treppe bzw. Rampe mit Aufzug im Fechthof und weitere Lifte (rechts im Plan) kann der historische Saal nun barrierefrei erschlossen werden. Architektur: Köstlbacher Miczka Architektur Urbanistik, Regensburg

Foto: Herbert Stolz
Grundrissplan

Foto: Grundrissplan: Köstlbacher Miczka Architektur Urbanistik

Nicht alles ist machbar 

Alle möglichen Kriterien für barrierefreies Bauen zu erfüllen, ist theoretisch möglich, in der Praxis jedoch – insbesondere beim Bauen im Bestand – nicht immer und erst recht nicht ohne großen Kostenaufwand umsetzbar. Es setzt einen langen kommunikativen Prozess voraus, wie etwa bei dem historisch bedeutenden, aber jahrzehntelang nur eingeschränkt zugänglichen Reichssaal in Regensburg. Seit 2020 kann das denkmalgeschützte Bauwerk aber mit einer barrierefreien Erschließung des Reichssaals trumpfen. Und dies alles bei „Denkmalpflege der obersten Kategorie“, betont Donhauser, der selbst in Regensburg arbeitet und weiß, wovon er spricht, wenn er es zusammenfasst:  

„Ein Riesen-Kraftakt, den es entsprechend zu würdigen gilt“.

 

Autorin: Christine Fritzenwallner

Die genauen Öffnungszeiten der jeweiligen Projekte am 24. und/oder 25. Juni 2023 finden sich über die entsprechende Auswahl in der Trefferliste Architektouren