Badumbau statt Haus-Neubau

  • Zeitraum: April 2023
  • Beratungsschwerpunkt:
    • Planen & Bauen

Barrierefreies Planen und Bauen – das betrifft nicht nur Neubauten, sondern insbesondere auch unseren Baubestand, der auf eine immer älter werdende Gesellschaft trifft. Das Erreichen von Barrierefreiheit im Gebäudebestand ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance. Wie durch eine kluge Anpassung des Bestands in Folge einer fachkundigen Beratung Mehrwert entsteht und ein aufwendiger Neubau sogar vermieden werden konnte, zeigt ein Einblick in die Arbeit von Susanne Moog von der Beratungsstelle Barrierefreiheit der Bayerischen Architektenkammer.

Während der Umbauarbeiten wurde die Trennwand zum früheren WC abgerissen, was jetzt nur noch am Mauerwerk der Querseitenwand erkennbar ist. So entstand ein größerer Raum.
Susanne Moog sitzt an einem Tisch und ist im Gespräch mit dem Hauseigentümer, den man nur von hinten erkennt, rechts am Rand eine weitere Person. Auf dem Tisch zwischen den beiden liegt Papier. In der Hand hält Moog einen Stift.
Blick ins neue Bad, das mit seiner raumbreiten Spiegelwand und den grauen, großformatigen Fliesen an der Wand und am Boden großzügig und modern wirkt. Links an der Wand ist die hinzugefügte Duschapparatur zu sehen, ohne Trennwände oder eine Bodenerhöhung duscht man offen im Raum.
Blick auf den Fußboden im neuen Bad, der schwellenlos vom Flur erreichbar ist. Er ist eben und mit großformatigen Fliesen ausgestattet. Das Wasser der Dusche kann über schmale Fugen innerhalb eines rechteckig ausgeschnittenen Bodenbereichs ablaufen.
Die zufrieden blickenden Eheleute im umgebauten Bad, der Mann im Rollstuhl sitzend, links ((bzw. rechts je nach Bildauswahl!)) seitlich dahinterstehend seine Frau. Das Badezimmer sieht einladend und modern aus, es ist in verschiedenen Grautönen gehalten und mit Pflanzen ausgestattet.

Die Umbauarbeiten: Die Wand zum früheren WC wurde abgerissen, sodass ein größerer Raum entstand.

Foto: Familie John

„Barrierefreiheit ist ein zentrales, gesellschaftliches Anliegen und eine große Chance für ein zufriedenes, selbstbestimmtes Leben – in allen Lebensphasen“.

Seit über sechs Jahren setzt sich die studierte Innenarchitektin Susanne Moog für mehr Barrierefreiheit im Alltag der Menschen ein, berät Ratsuchende und hält regelmäßig Vorträge. Als Expertin für Barrierefreies Planen und Bauen erreichen sie täglich Anfragen aus dem südöstlichen Landesteil Bayerns mit den Regionen Deggendorf, Landshut, Bad Tölz und Rosenheim, für die sie im Auftrag der Beratungsstelle innerhalb des 19-köpfigen, regionalen Beratungsteams zuständig ist. „Das Thema Barrierefreiheit als Generationenaufgabe scheint mir aber gerade im ländlichen Raum, der vielfach durch klassische, in die Jahre gekommene Siedlungsstrukturen geprägt wird, noch gar nicht so ganz angekommen“. Als Beispiel nennt die Beraterin ihre Tätigkeit für ein Ehepaar aus dem Raum Rosenheim, die ihr besonders in Erinnerung blieb: 

Als die Eheleute in die Beratungsstelle kamen, berichteten sie von einem geplanten Umzug aus ihrem bisherigen Wohnhaus, aus dem ihre drei mittlerweile erwachsenen Kinder längst ausgezogen waren. Und sie erzählten von einem Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft, das ihre Tochter erworben hatte. Darauf wollte diese ein Zweifamilienhaus errichten, mit einer Mietwohnung im EG und einer barrierefreien, über einen Aufzug erschlossenen Wohnung im OG, in die das Paar einziehen sollte. So wollte die Tochter ihren Eltern ein komfortables Leben ermöglichen – insbesondere da der nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmte Vater auf den Rollstuhl angewiesen und das bestehende Haus in seinem Lebensalltag eine tägliche Herausforderung für ihn war. Doch war das wirklich alles notwendig? Was waren die aktuellen Barrieren im bestehenden Wohngebäude? Wer sollte den Umzug organisieren und durchführen? 

Was konkret störte und welche Optionen gab es jeweils dafür? Susanne Moog stellte zu Beginn ihrer Beratung genau die richtigen und entscheidenden Fragen.  

Fragen, die sich eben oftmals erst durch eine neutrale, außenstehende Person offen aussprechen lassen. „Durch sie sind wir überhaupt erst ins Denken gekommen“, erläutert das Paar. Und fügt hinzu:

„Wir wurden so gut beraten, dass wir uns entschlossen haben, im Haus zu bleiben und es entsprechend umzubauen“.  

Denn rasch wurde durch Analyse des Bestands die vermutlich einfachste aller Maßnahmen gefunden und gemeinsam entschieden: Ein Umbau des ehemaligen Garderobenbereichs und Gäste-WCs im EG in ein mit dem Rollstuhl nutzbares Badezimmer. Es stellte die optimale und wirtschaftlichste Lösung dar. Zusätzlich musste ein Zimmer im EG in ein Schlafzimmer mit Pflegebett umgewandelt werden, um ein mühsames und unfallträchtiges Überwinden der Treppe und weitere organisatorische Maßnahmen (zweiter Rollstuhl im Obergeschoss) zu vermeiden.  

Auch im Nachhinein sind die Eheleute noch zufrieden und glücklich, weiterhin in ihrem geliebten Haus leben zu können. Und dass durch vergleichsweise einfache und auch zeitlich überschaubare Eingriffe wie dem Badumbau:  

In einer Rekordzeit von nur 12 Arbeitstagen ging der Umbau vonstatten, „das ist sicher einmalig“, betont die Hausherrin.  

Zu verdanken sei dies aber wahrscheinlich ihrer guten Vernetzung im Ort, insbesondere durch ehrenamtliches, vereinsmäßiges Engagement. „Die lokalen Handwerker – alles Firmen, die sich auch untereinander kannten – hatten sich so gut abgestimmt, dass das WC letztlich nur vier Tage gesperrt war.“ Als Beispiel nennt sie den Fliesenleger, „der kam, da war der andere Arbeiter noch nicht mal ganz weg“. 

So konnte folglich auch der geplante Neubau und ein kräftezehrender Umzug vermieden werden.  
„Klar wäre sogar ein Aufzug möglich gewesen, aber das hätte mindestens 50.000 Euro verschlungen“, erklärt Moog. „Oft ist die naheliegende, einfachere und kostengünstige Lösung die bessere für alle Beteiligten“. Leider war aber im hiesigen Fall eine KFW-Förderung, die zusätzlich sicherlich hilfreich gewesen wäre, nicht möglich.

Während der Umbauarbeiten wurde die Trennwand zum früheren WC abgerissen, was jetzt nur noch am Mauerwerk der Querseitenwand erkennbar ist. So entstand ein größerer Raum.

Die Umbauarbeiten: Die Wand zum früheren WC wurde abgerissen, sodass ein größerer Raum entstand.

Foto: Familie John
Blick ins neue Bad, das mit seiner raumbreiten Spiegelwand und den grauen, großformatigen Fliesen an der Wand und am Boden großzügig und modern wirkt. Links an der Wand ist die hinzugefügte Duschapparatur zu sehen, ohne Trennwände oder eine Bodenerhöhung duscht man offen im Raum.

Das neue Bad wirkt großzügig und modern mit seiner raumbreiten Spiegelwand und den grauen, großformatigen Fliesen an den Wänden und am Boden.

Foto: Susanne Moog

Denn das Bad konnte zwar für den individuellen Fall barrierefrei umgebaut werden, entsprach aber nicht exakt den Anforderungen nach DIN 18040 Teil 2, der die Barrierefreiheit regelnden Norm im Wohnungsbau.  

Die Förderung gibt es nach den derzeitigen Förderbestimmungen nur dann, wenn die exakte Einhaltung der geltenden Vorschriften nachgewiesen werden kann – eine Maßgabe, die gerade im Gebäudebestand aber oftmals nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich ist. 
Moog freut sich, dass ihre Beratung hier dennoch ganz konkret zu einem schönen und für die Familie gut nutzbaren Ergebnis geführt hat. Angesichts der Aufgaben, die im Gebäudebestand auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft noch gemeistert werden müssen, hofft sie darauf, dass sich das „Dilemma mit der Förderung“ möglichst bald positiv ändern wird.

Das Interview mit Susanne Moog führte Christine Fritzenwallner im April 2023.

Zur Person von Susanne Moog finden Sie auf dieser Seite: Susanne Moog